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Bangladeschische Sicherheitskräfte umstellten das Restaurant Gulshan, in dem IS-Terroristen 20 Geiseln genommen hatten.

© Reuters

IS-Terror in Bangladesch: Die Bedrohung in Asien wächst

Das jüngste mutmaßlich islamistisch motivierte Terrorattentat in Bangladesch forderte 28 Menschenleben. Experten rechnen in Zukunft mit noch mehr Anschlägen des "Islamischen Staats" in Asien.

Die Holey Artisan Bakery serviert spanisches Essen. Das beliebte Restaurant im Diplomatenviertel in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka liegt an einem künstlichen See. Viele Gäste sitzen zum Essen gerne im Garten. Doch am Freitagabend gegen 21 Uhr stürmen mindestens sieben Attentäter, bewaffnet mit Pistolen und automatischen Gewehren, das Gebäude. Zeugen berichten später auch von Explosionen. Und davon, dass die Männer „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) riefen.

Gute zehn Stunden später beenden mehr als 100 Sicherheitskräfte die Geiselnahme und töten sechs der Angreifer. Zwei Polizisten sind zu diesem Zeitpunkt schon tot und wahrscheinlich auch mehr als die Hälfte der Geiseln. Nur 13 überleben nach Angaben des Militärs, 20 sterben. Die Angreifer haben während der Nacht Geiseln mit Macheten und Messern brutal getötet. Der Vater eines Überlebenden berichtet, die Attentäter hätten nur diejenigen verschont, „die Koranverse aufsagen konnten“. In einem letzten Feuergefecht leisteten die Terroristen fast eine Stunde lang Widerstand – bis ein gepanzertes Fahrzeug eine der Begrenzungsmauern des Restaurants niederriss.

Seit Anfang 2013 leidet das muslimische Land mit rund 160 Millionen Einwohnern unter einer Serie mutmaßlich islamistisch motivierter Anschläge. Die Anschlagsserie bei der unbekannte Täter 50 Religionskritiker, Blogger, Schwule, Angehörige religiöser Minderheiten und auch Ausländer umgebracht haben, begann nach der Verurteilung von Abdul Qadir Molla.

Ein 1973 gegründetes Kriegsverbrecher-Tribunal über die Zeit des Unabhängigkeitskrieges hatte den Politiker der islamistischen Oppositionspartei Jamaat e Islami zu lebenslanger Haft verurteilt. Molla kämpfte in den frühen 70er Jahren gegen die Abspaltung Bangladeschs von Pakistan. Das Tribunal verurteilte ihn wegen Vergewaltigung, Mord und Massenmord. Er soll für den Tod von  350 unbewaffneten Zivilisten im Jahr 1971 verantwortlich sein.

Bangladeschs Premierministerin Sheikh Hasina Wajid rief ihr Land nach dem Attentat von Dhaka zur Einigkeit auf: „Wir werden keinen Akt des Terrorismus in Bangladesch dulden.“ Zu vielen Attentaten bekannten sich in der Vergangenheit islamistische Organisationen wie Al Qaida, der „Islamische Staat“ (IS) – der jetzt auch für die Geiselnahme die Verantwortung übernahm – oder lokale Gruppen. Trotzdem bestreitet die Regierung in Dhaka, dass der IS in Bangladesch aktiv sei und beschuldigt örtliche Extremistengruppen, aber auch die Opposition.

Die Wahlen 2014 waren sehr umstritten. Die Partei der früheren Premierministerin Khaleda Zia hatte die Wahl sogar boykottiert. Hunderte Menschen starben bei Krawallen nach der Abstimmung. Und Hasinas Regierung hatte im Anschluss Spitzenpolitiker der Opposition einschließlich der nicht mehr im Parlament vertretenen Oppositionsführerin Zia mit mehr oder weniger plausiblen Korruptionsanklagen überzogen.

Der IS zieht auch abseits der Hochburgen Sunniten in seinen Bann

Vor zwei Wochen hatte die Polizei landesweit mehr als 12.000 Menschen in einem Großeinsatz gegen Extremismus festgenommen. 37 Menschen sind seit Wochen in Polizeigewahrsam, 27 gehören Mollas verbotener Islamisten-Partei an. Trotzdem gehen die Anschläge weiter. Erst am Freitagmorgen töteten mutmaßlich islamistische Attentäter einen Mitarbeiter eines Hindu-Tempels 200 Kilometer von Dhaka entfernt.

Der IS zieht auch abseits seiner Hochburgen im Nahen Osten Sunniten in seinen Bann. Das gilt vor allem für Asien. Afghanistan, Pakistan, Indonesien, Malaysia, Philippinen – überall auf dem Kontinent findet die Dschihadistenmiliz mit ihrer Pseudo-Lehre vom reinen Islam und „Heiligem Krieg“ Zuspruch. Die Sympathien reichen längst so weit, dass sich Menschen radikalisieren und rekrutieren lassen. Einige hundert, womöglich sogar mehr als 1000 Kämpfer sollen für den IS in die Schlacht gegen die „Ungläubigen“ gezogen sein.

Experten gehen davon aus, dass dadurch die Bedrohung für Asien größer wird. Zum einen, weil sich lokale Islamistengruppen – beeindruckt vom Projekt eines „Kalifats“ – der Terrormiliz anschließen und dann in deren Namen Anschläge verüben. Zum anderen, weil viele IS-Mitglieder aus dem Irak oder Syrien in ihre Heimatländerzurückkehren oder zurückgeschickt werden. Diese Rückkehrer gelten als besonders gefährlich. Sie sind mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut, im bewaffneten Kampf ausgebildet und ideologisch geschult.

Einige Sicherheitsfachleute verweisen darauf, dass der IS fest entschlossen sei, eine „Provinz Asien“ auszurufen. Nicht zuletzt, um sich von Al Qaida abzusetzen, ja, ihr möglichst den Rang abzulaufen. Auch die einst von Osama bin Laden befehligte Organisation ist seit Langem in Asien aktiv. Früher hatte Al Qaida in der Islamisten-Szene eine Art Alleinstellungsmerkmal. Doch inzwischen übt der IS oft eine größere Anziehungskraft auf muslimische Extremisten aus. Das macht sich im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan bemerkbar. Dort wirbt der „Islamische Staat“ massiv um Mitglieder – durchaus mit Erfolg. (mit dpa)

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