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Islam-Professor: "Es gibt nicht den einen Islam"

Christian Troll ist Professor für Islam und christlich-muslimische Begegnung an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Im Interview spricht er über die Islamthese des Bundespräsidenten.

Herr Troll, Bundespräsident Wulff hat in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit gesagt, "der Islam ist Teil Deutschlands". Hat er recht?

Betrachtet man die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime, hat er recht. Aber nicht nur deshalb. Denn auch der Glaube, die Religion Islam ist Teil Deutschlands. Wer über Deutschland und seine prägenden Religionen spricht, muss auch über den Islam sprechen. Ich sehe darin kein Problem. Außerdem hat Wulff nicht als Historiker gesprochen. Denn natürlich ist der Islam trotz seiner Einflüsse auf die europäische Geistesgeschichte, auf die Wissenschaft und die Sprache, nicht gleichermaßen prägend wie das Christen- und das Judentum.

Gibt es auch eine gemeinsame Wertebasis?

Christen und Muslime glauben an den einen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Daraus folgen Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Einstellung der Gläubigen beider Religionen zu Leben, Natur und Umwelt. Christen und Muslime glauben ferner an Gott als Richter über die Lebendigen und die Toten. Daraus ergibt sich das Bewusstsein der Verantwortung.

Wulff hat auch auf gemeinsame Regeln verwiesen, die im Grundgesetz verankert sind, passen die denn überhaupt zum Islam?

Es gibt nicht den einen Islam. In Deutschland existieren verschiedene Gruppen, die den Islam als Glaubensgrundlage haben. Und davon werden einige vom Verfassungsschutz beobachtet. Auch das ist Teil Deutschlands. Und wenn man es genau nimmt, gibt es auch zwischen einem streng gläubigen Katholiken und dem Grundgesetz beispielsweise in Fragen der Bioethik Spannungen. Nur keine politisch so brisanten Widersprüche wie bei einigen islamischen Gruppen. Der Alltag zeigt, wie schwer es ist, zu definieren, wie man sich das Gemeinsame vorstellt. Das fängt bei Erziehungsfragen an. Die jeweiligen Auffassungen von Ethik und Gesetz spielen hier eine zentrale Rolle.

Funktioniert der Religionsdialog nicht?

Er ist schwierig. Und insofern ist es gut, was Wulff gesagt hat. Denn als gläubiger Christ kann man von Muslimen auch lernen. Beide haben einen spirituellen Resonanzraum, in dem über Glauben und Ethik nachgedacht wird. Aber es kommt darauf an, eine versöhnende Vielfalt der Religionen herzustellen. Und es ist offen, ob Christen, Juden und Muslime zu einer versöhnenden Harmonie finden können.

Woran liegt das?

Beide, das Christentum und der Islam, haben einen universalen Wahrheitsanspruch. Und wollen, dass er akzeptiert wird. Die Frage ist, welche Haltung man gegenüber dem Andersdenken pflegt. Jeder hat heute die Aufgabe, sich zu öffnen, ohne die eigene Identität aufzugeben. Wir erleben einen rapiden gesellschaftlichen Wandlungsprozess. Auch wir Christen bleiben davon nicht unberührt. Auch wir müssen lernen und uns positiv-kritisch in diesen Prozess einbringen.

Die Fragen stellte Christian Tretbar.

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