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Islamfeindlichkeit: ''Muslime werden ausgegrenzt''

Der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz wehrt sich gegen Kritik an einer Tagung über Islamfeindlichkeit.

Herr Benz, was bringt ein Vergleich zwischen Antisemitismus und Islamfeindschaft?



Uns geht es nicht um Vergleiche oder Gleichsetzung, sondern um die Ausgrenzung von Gruppen. Uns interessiert dabei die Struktur der Mechanismen und Wirkungsweisen von Vorurteilen. Wenn man heute Anzeichen entdeckt, dass die Muslime stigmatisiert, ausgegrenzt und mit Phobie überzogen werden, wäre es geradezu ein Versäumnis, nicht den Antisemitismus heranzuziehen, den wir am gründlichsten studiert haben und dessen Folgen und Wirkungen wir am besten kennen.

Ist nicht der latente bis militante Antisemitismus vieler Muslime das vordringliche Problem, mit dem sich Antisemitismusforscher beschäftigen sollten?

Womit sich Wissenschaftler beschäftigen sollten, entscheidet die Wissenschaft. Wir beschäftigen uns seit Jahr und Tag auch mit anderen stigmatisierten Gruppen, etwa mit Sinti und Roma, mit Homosexuellen. Noch nie hat uns jemand gesagt, dass wir das nicht dürfen. Und unter allgemeinem Beifall habe ich die Antisemitismusforschung in Richtung einer Vorurteilsforschung erweitert, darin sehe ich ihren Sinn. Natürlich beschäftigen wir uns auch mit dem Antisemitismus der Muslime. Aber das ist ein eigenes Thema.

Kritiker des Vergleichs sehen darin eine Verharmlosung des Antisemitismus. Was erwidern Sie ihnen?

Die Behauptung, wir würden den Holocaust trivialisieren, ist absurd. Die Internetblogger, die sich jetzt mit teilweise pöbelhaften Äußerungen melden, verfolgen politische Absichten und unterliegen einem grundsätzlichen Missverständnis. Wer sich jetzt für die Muslime interessiert, sie als eine potenzielle Opfergruppe sieht, sei ein Feind der Juden, ein Feind Israels und betreibe die Sache der Islamisten. Skandalös ist, dass sogar Politik und Gesellschaft aufgerufen werden, dem Zentrum das Geld zu sperren.

Faruk Sen musste von der Leitung des Zentrums für Türkeistudien zurücktreten, weil er die Türken „die neuen Juden Europas“ nannte. Müssen Sie Ähnliches fürchten?

Überhaupt nicht. Ich komme gerade von einer Tagung bei der Friedrich-Ebert-Stiftung über Antisemitismus, habe dort mit Vertretern der israelischen Botschaft, der Berliner Jüdischen Gemeinde und aus dem Bundestag gesprochen: Alle haben mir den Rücken gestärkt. Sich mit Islamfeindschaft und Antisemitismus zu befassen, liegt im Mainstream der Forschung, es hat in den vergangenen Jahren eine Reihe wissenschaftlicher Tagungen dazu gegeben. Und ich habe ja nun wirklich nicht gesagt, künftig interessiert uns der Holocaust nicht mehr. Außerdem habe ich nie auch nur den geringsten Zweifel daran gelassen, dass ich islamistischen Fundamentalismus und Terrorismus zutiefst abscheulich finde.

Islamophobie wird auch als Kampfbegriff gesehen, der jegliche Kritik am Islam – etwa an drakonischen Scharia-Strafen – diskreditieren soll. Was sagen Sie dazu?

Man kann sich auch über den falschen Begriff des Antisemitismus oder über den Begriff Holocaust trefflich streiten – man berührt damit aber das Problem gar nicht. Diese Begriffe sind eingeführt, und jeder versteht, was damit gemeint ist.

Kann man Islamophobie und Antisemitismus mit den gleichen Mitteln begegnen – etwa in der Jugendarbeit?

Wir kommen zu der Erkenntnis, dass Vorurteile gegen Juden und gegen Muslime sehr wohl über dieselben Strukturen funktionieren: Ich definiere erst den anderen als einen Fremden, und zwar mithilfe seiner Kultur oder Religion, dann kann ich ihn stigmatisieren, weil er eben ein Fremder ist, dann kann ich ihn ausgrenzen. Das kann man mit rothaarigen Frauen oder Brillenträgern genauso machen, wie mein Freund Yehuda Bauer zu sagen pflegt. Solche Erkenntnisse setzt Pädagogik dann um.

Das Gespräch führte Amory Burchard.

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