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Staat und Moschee: Muslime und Bürgerrechtler wünschen sich seit langem, dass nicht nur auf Extremisten in den Gotteshäusern gesehen wird, sondern auch auf Hasstäter gegen Moscheen und Gläubige.

© picture alliance / dpa

Islamhass: Gewalttaten gegen Muslime sollen gesondert erfasst werden

Um Islamhass bekämpfen zu können, sollte es eine eigene Kriminalstatistik geben, finden nicht nur Gläubige, sondern jetzt auch der NRW-Landtag. Der Widerstand der Innenminister scheint geringer zu werden.

Nordrhein-Westfalen macht Ernst mit ersten Erkenntnissen aus der NSU-Mordserie: Der Landtag in Düsseldorf hat die Regierung aufgefordert, künftig Straftaten, die sich gegen Muslime richten, gesondert in der Polizeistatistik auszuweisen. Bisher sind sie dort unter Hasskriminalität miterfasst; Antisemitismus und Homophobie sind bereits eigene Kategorien.

Die Veränderung der Statistik war eine der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags. Sein Schlussbericht hatte dem „Definitionssystem PMK (politisch motivierte Kriminalität) große Schwächen“ bescheinigt und eine „grundlegende Überarbeitung“ gefordert. Er wies auch darauf hin, dass noch immer eine große Lücke klaffe zwischen den Fallzahlen rassistischer Gewalt, die die Behörden präsentierten, und denen, die Medien und Opferberatungsstellen recherchieren.

Innenminister wehrten sich bisher gegen Änderungen

In dem Entschließungsantrag, dem in der vergangenen Woche bis auf die CDU alle Fraktionen im Düsseldorfer Landtag zustimmten, wird ausdrücklich auch der gesellschaftliche Wert der neuen Kategorie betont: Würden Taten gegen Muslime nicht als politisch motiviert anerkannt, „wird dies als Zeichen fehlender Solidarität und unzureichenden Bekenntnisses zu gesellschaftlicher Vielfalt empfunden“. Sollte die Innenministerkonferenz nichts ändern wollen, „ist die Landesregierung aufgefordert zu prüfen, ob eine eigene Statistik für NRW umsetzbar ist“.

In der Innenministerkonferenz freilich tut sich etwas: Nachdem sie noch im Herbst 2011 und noch auf der Frühjahrssitzung 2013 eine andere Definition abgelehnt hatte, beschloss sie im Juni, die Statistik insgesamt und vor allem das im NSU-Bericht gerügte „Definitionssystem“ zu überprüfen. Ein Sprecher des Innenministeriums in Düsseldorf – in diesem Jahr führt Nordrhein-Westfalen den Konferenzvorsitz – sagte dem Tagesspiegel, man werde jetzt erst einmal die Ergebnisse der Arbeitsgruppe abwarten, die damit beauftragt sei. Da es um bundeseinheitliche Kriterien gehe, sei es sinnvoll, nicht allein vorzugehen.

Muslime: Wir sind keine Fremden

Die muslimischen Verbände sehen im Düsseldorfer Landtagsbeschluss dennoch einen grundsätzlichen Bruch mit alten Logiken: Dass sich Straftaten gegen Muslime immer noch unter der Rubrik „Fremdenfeindlichkeit“ versteckten, mache die Betroffenen zu Fremden. „Wir begrüßen es, dass diese Ausgrenzung endlich auf der Tagesordnung ist“, erklärte der Generalsekretär von Milli Görüs (IMG), Mustafa Yeneroglu. Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime sprach von einem „wichtigen und überfälligen Signal“. Die getrennte Erfassung antimuslimischer Delikte sei auch „notwendig, um die Strafverfolgung zu optimieren“.

Hass geht bis zum Mord

Die Muslime, aber auch Fachwissenschaftler, Opferverbände und bürgerschaftliche Initiativen plädieren seit Jahren für einen veränderten Sicherheitsbegriff, der nicht nur auf gewaltbereite Islamisten hinweist, sondern auch auf die Bedrohung, der Muslime ausgesetzt sind. Das hatte in letzter Zeit Erfolg: Die Deutsche Islamkonferenz nahm das Thema zuletzt in den Zuschnitt ihrer Arbeitsgruppen auf und widmete ihm im Dezember 2012 eine Fachtagung. Neben Moschee- und Friedhofsschändungen verzeichnen Muslime  Alltagsdiskriminierung, etwa am Arbeitsplatz, die vor allem kopftuchtragende Frauen trifft, und Gewalt bis hin zum Mord: Vor einer Woche gedachte Dresden des Mords an Marwa el Sherbini, die vor fünf Jahren von einem erklärten Islamhasser erstochen wurde.

Von Forschern wird angenommen, dass Muslimfeindschaft auch eine Brücke ist, die Rechtsextreme zur Durchschnittsbevölkerung schlagen können: Das Bielefelder Team um Wilhelm Heitmeyer hatte in seiner Langzeitstudie zu „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ festgestellt, dass diese Art der Ablehnung stabil verbreitet ist. So bekannten sich über ein Jahrzehnt hinweg 24 bis 30 Prozent der Bevölkerung zur Aussage, die Einwanderung von Muslimen müsse beschränkt werden.

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