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Zerstörung im Museum.

© Reuters

"Islamischer Staat": Mehr als die Zerstörung von Kulturgut

Gotteskrieger des „Islamischen Staates“ zertrümmern das Museum von Mossul - und rufen damit weltweit Entsetzen hervor. Wie weit geht der IS noch?

Nach der Zerstörung antiker Kulturschätze durch die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) im Irak hat die Unesco eine Krisensitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert. Weltweit ist man entsetzt, seit das Video aus dem Museum von Mossul im Netz zu sehen ist. Unterlegt mit koranischen Gesängen wüten Krieger des „Islamischen Staates“ durch die weitläufigen Ausstellungsräume, stoßen einzigartige assyrische Statuen vom Sockel, schlagen ihnen die Köpfe ab und zertrümmern Reliefs mit Vorschlaghämmern und Pressluftbohrern. Einige der Täter in dem fünf Minuten langen Film tragen Bärte und traditionelle Galabiyyas, andere sind glattrasiert, in Jeans und T-Shirt.

„Auch wenn diese Dinge hier Milliarden von Dollar wert sind, für uns sind sie absolut nichts“, deklamiert einer der Bärtigen mit schwarzer Häkelmütze und erhobenem Zeigefinger in die Kamera. Archäologen in Europa und den Vereinigten Staaten vergleichen die Barbarei von Mossul bereits mit der Zerstörung der Buddha-Figuren von Bamian 2001 durch die Taliban in Afghanistan. „Eine Tragödie und ein katastrophaler Verlust für Iraks Geschichte und Archäologie von unfassbaren Dimensionen“, urteilte der syrische Historiker Amr al-Azm auf seiner Facebook-Seite. Zerstört worden seien einige der wunderbarsten Stücke assyrischer Bildhauerkunst – „ein Verlust für die gesamte Welt“. Thomas Campbell, der Direktor des „Metropolitan Museum of Art“ in New York nannte die Untat „die katastrophale Zerstörung eines der wichtigsten Museen des Nahen und Mittleren Ostens“.

Bereits kurz nach der Eroberung von Mossul im Juni 2014 hatten die IS-Gotteskrieger in der zweitgrößten Stadt des Irak dutzende Moscheen und Kirchen in die Luft gesprengt, darunter das berühmte Mausoleum des Propheten Jonas, das jahrhundertelang als Wahrzeichen für die religiöse und kulturelle Verwobenheit der Region galt. Zuletzt jagten sie am Donnerstag die so genannte Rote Moschee im Stadtzentrum in die Luft, die aus dem 12. Jahrhundert stammt. Im Januar plünderten sie die Universitätsbibliothek und zündeten die Zentralbibliothek von Mossul an.

Die Extremisten wollen weitermachen

8000 unwiederbringliche Manuskripte verbrannten. In dem jetzt verwüsteten Antikenmuseum bedrohten die Kämpfer kurz nach ihrem Einmarsch zunächst das verängstigte Personal und erklärten, man werde wiederkommen und alle Skulpturen zerstören, wenn ihr Kalif Ibrahim, alias Abu Bakr Al Baghdadi, dies per Fatwa befehle. Acht Monate später machte die IS-Barbaren nun ihre Ankündigung wahr. Neben altorientalischen Skulpturen im Museum von Mossul wurde auf dem nahe gelegenen Ausgrabungsgelände von Niniveh auch eine monumentale assyrische Hüterstatue zerstört. Der geflügelte Stier aus Granit ist Teil des Nergal-Tores aus dem siebten Jahrhundert vor Christus. Er gehörte zur Befestigung von Ninive, einer der Hauptstädte des assyrischen Reiches.

Es scheint jedoch, dass die IS-Vandalen überwiegend die großen und monumentalen Stücke zerstörten, kleinere Ausstellungsstücke dagegen verschonten, um damit ihre Kriegskasse zu füllen. 1800 der insgesamt 12.000 registrierten archäologische Fundstätten im Irak liegen im Machtbereich des „Islamischen Staates“, darunter vier Hauptstädte der assyrischen Epoche sowie 250 Kulturbauten des Altertums. 100 Kilometer südlich von Mossul befinden sich zudem die gut erhaltenen Reste der antiken Stadt Hatra aus der Partherzeit, die ebenso zum Unesco-Menschheitserbe gehört wie die Tempelanlagen von Assur.

Die geraubten Fundstücke werden mit Hilfe von Mittelsmännern über die porösen Grenzen in die Türkei sowie den Libanon geschmuggelt, wo spezialisierte Hehlerringe sie skrupellose Kunden in Europa, den USA und den Golfstaaten anbieten. „Es ist absolut verblüffend“, zitiert die BBC den Antikenfahnder Arthur Brand aus Amsterdam. „Der illegale Handel ist total professionell organisiert - mit Büros und sogar mit Visitenkarten.“ Insgesamt taxieren Unesco und Interpol das globale Volumen des illegalen Antikenhandels mittlerweile auf sechs bis acht Milliarden Dollar. Und so verabschiedete der UN-Sicherheitsrat vor zwei Wochen erstmals eine Resolution gegen die global vernetzte internationale Kunstmafia aus Händlern und Käufern. Sie verpflichtete alle 193 Mitgliedstaaten, „geeignete Schritte“ zu unternehmen „gegen den Schmuggel mit dem kulturellen Erbe von Syrien und Irak“.

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