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Jörg Ziercke, scheidender Präsident des Bundeskriminalamtes, warnt vor islamistischen Terror in Deutschland.

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Update

Islamischer Staat rekrutiert Kämpfer aus 80 Ländern: BKA-Präsident Ziercke warnt vor Anschlägen in Deutschland

Die Zahl ausländischer Kämpfer in Syrien und im Irak hat nach Angaben der Vereinten Nationen und der USA ein beispielloses Ausmaß erreicht. Das BKA zählt aktuell 1000 Menschen zum „islamistisch-terroristischen Personenpotenzial“ in Deutschland. BKA-Präsident Ziercke warnt vor Anschlägen.

Von Hans Monath

Mindestens 1000 Islamisten in Deutschland gehören nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes (BKA) der Terrorszene an. 230 von ihnen könnten „Straftaten von erheblichem Ausmaß begehen“, warnte BKA-Präsident Jörg Ziercke in der „Welt“ (Samstag). Der Zulauf ist beträchtlich: 2010 hatte die Polizei erst 120 sogenannte Gefährder auf der Liste.

Die größte Anschlagsgefahr hierzulande gehe von fanatisierten Einzeltätern oder Kleinstgruppen aus. Ziercke hält es für naheliegend, dass weitere Anschlagsversuche kommen. Panik sei aber „nicht angebracht“, denn die Sicherheitsbehörden seien gut aufgestellt.

Das Bundeskriminalamt hat zusätzlich zu den 230 „Gefährdern“ weitere 300 Personen identifiziert, die „etwa bei der Vorbereitung eines Anschlags logistisch helfen könnten“, sagte Ziercke, der sich Mitte November in den Ruhestand verabschiedet. Im Moment gebe es 420 Ermittlungsverfahren und 650 Beschuldigte mit islamistischem Hintergrund.

Nie dagewesener Zustrom ausländischer Kämpfer zum IS

Erst am Freitag hatten die Vereinten Nationen vor einem nie dagewesenen Zustrom ausländischer Kämpfer zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und ähnlichen Gruppen gewarnt. 15.000 Männer und Frauen aus mehr als 80 Ländern seien nach Syrien und in den Irak gezogen, um für Terroristen zu kämpfen, heißt es in einem UN-Report für den Sicherheitsrat, der dem Tagesspiegel in Auszügen vorliegt. „Die Zahlen seit 2010 übertreffen nun um ein Mehrfaches die Summe der ausländischen terroristischen Kämpfer zwischen 1990 und 2010 – und wachsen weiter“, schreiben die UN-Analytiker. Über das Papier hatte zuerst der britische „Guardian“ berichtet. Deutsche Sicherheitskreise wollten die Dimension der Zahlen nicht bestätigen.

Die UN warnen einem Bericht zufolge, dass 15 000 Männer und Frauen in die beiden Länder gezogen seien, um dort für die Terroristen oder andere extremistische Gruppen zu kämpfen. Dem Verfassungsschutz zufolge sind bisher nachweislich 450 vor allem junge Menschen aus Deutschland nach Syrien und in den Irak gegangen, um dort für Extremisten zu kämpfen. Die Sorge vor radikalisierten Rückkehrern ist groß - zumal diese in Deutschland weiteren Nachwuchs rekrutieren könnten.

Die Vereinten Nationen haben vor einem nie dagewesenen Zustrom ausländischer Kämpfer zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und ähnlichen Gruppen gewarnt.
Die Vereinten Nationen haben vor einem nie dagewesenen Zustrom ausländischer Kämpfer zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und ähnlichen Gruppen gewarnt.

© dpa

Eine Liste der Länder, aus denen die Dschihadisten kommen, enthält das UN-Papier nicht. Allerdings warnen die Autoren, dass auch die Kämpfer aus solchen Ländern neue Gefahren schaffen können, die bisher nicht mit islamistischem Terror konfrontiert waren. „Die Auswahl frischer Ziele in neuen Ländern könnte ein Versuch unter Druck geratener terroristischer Netzwerke sein, sich neu aufzustellen“, heißt es. Auch könne sich das Risiko von Terroranschlägen in den Herkunftsländern erhöhen, wenn mehr desillusionierte Kämpfer zurückströmen. Ausdrücklich genannt wird in diesem Zusammenhang das Spektrum „traumatisierter, militärisch ausgebildeter, verbitterter Veteranen, die aus der Konfliktzone zurückkehren“.

Ein Grund: Der schwindende Einfluss von Al Qaida

Den rasanten Zulauf zu Gruppen wie dem besonders radikalen IS führen die UN auch auf den schwindenden Einfluss des Terrornetzwerks Al Qaida zurück. Während die dogmatische Kommunikation Al Qaidas potenzielle Rekruten eher abschrecke, greife der IS auf effizientere Methoden wie soziale Netzwerke zurück. Eine neue Art ausländischer Kämpfer fühle sich davon angesprochen. Die Propaganda des IS im Netz spiegele wider, dass seine Mitglieder jung und international seien. Der IS habe zudem durch Lösegelder für Geiseln ein Geldpolster von 45 Millionen US-Dollar angespart.

Die „Washington Post“ berichtete unter Berufung auf US-Geheimdienste, mehr als tausend ausländische Kämpfer reisten pro Monat nach Syrien. Dies habe sich auch durch die Luftangriffe der US-geführten Koalition auf den IS nicht geändert.

Die US-Regierung geht im Gegensatz zur UN davon aus, dass die Miliz ihren Attraktivitätshöhepunkt schon überschritten hat. „Wir glauben, dass die Anziehungskraft abnimmt“, sagte Vizeaußenminister Richard Stengel diese Woche laut US-Medien bei einem Treffen der Militärkoalition gegen die Miliz in Kuweit. Die USA und ihre Partner kündigten in Kuweit an, sie wollten den IS auch im Internet bekämpfen. Es müsse verhindert werden, dass Gewalt verherrlicht und Hass gesät werde. (mit dpa/rtr)

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