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Politik: Islamisten bedrohen Pakistans Stabilität

Die International Crisis Group kritisiert die Regierungspolitik und warnt vor einem „internen Dschihad“

Berlin - Pakistan, seit dem 11. September 2001 und dem Afghanistankrieg enger Partner der USA im Kampf gegen den internationalen Terror, hat bisher nicht wie angekündigt die muslimischen Extremistengruppen im eigenen Land erfolgreich zerschlagen. Vielmehr, so heißt es in einem Bericht der International Crisis Group (ICG), der an diesem Montag vorgestellt wird und dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt, hat die Regierung um des Machterhalt willens streng religiöse Verbände sogar gestärkt. Die ICG, eine unabhängige, internationale Expertenorganisation, warnt vor einem internen Dschihad – dem Heiligen Krieg im Land selbst – und vor Folgen für den internationalen Antiterrorkampf.

Präsident Pervez Musharraf hat oft erklärt, Pakistan, dessen Bevölkerung zu 96 Prozent muslimisch ist, zu einem moderaten islamischen Staat zu machen. Tatsächlich, so die ICG-Experten, sind in den vergangenen Jahren hunderte Al-Qaida-Aktivisten verhaftet und viele extremistische Gruppen verboten worden. Jedoch bestünden diese unter anderem Namen weiter, deren Führer erfreuten sich „regelrechter Immunität vor dem Gesetz“. Sicherheitskräfte durchsuchten sektiererische Seminare, doch die Regierung knicke unter dem Druck der Muttahida Majlis e Amal (Verbund der sechs größten religiösen Parteien, MMA) wieder ein, Verhaftete würden freigelassen und in Amt und Würden zurückversetzt.

Schon Anfang der 70er hat das Militär durch den Schulterschluss mit Islamisten politischen Gegnern getrotzt, später die afghanischen Taliban ausgebildet und im Kaschmirkonflikt mit Indien Terroristen unterstützt. Statt eine demokratische Opposition zu stärken – die sie auch ablösen könnte –, verlässt sich die Regierung weiter auf die Unterstützung der Extremisten, beklagt die ICG. So seien mit Ausnahme einiger Vorzeigebeispiele die etwa 13000 Koranschulen nicht wie angekündigt reformiert worden. Geplante Lehrplanänderungen seien auf Druck der MMA zurückgenommen worden, dagegen hätten finanzielle Zuschüsse und politische Anreize „öffentliches Profil und Einfluss“ der Mullahs noch gestärkt. „Wachsende Armut und fehlende staatliche Schulen“ tragen zusätzlich zur Expansion des Koranschulsystems bei.

Als besonderes Problem für die Stabilität des Landes sieht der Bericht die Konflikte der verschiedenen islamischen Gruppen. Ein sunnitischer Extremist wird mit den Worten vom „doppelten Dschihad“ zitiert: „Aber der innere Feind, der sich als Muslim ausgibt, so wie es Schiiten und andere tun, ist gefährlicher (als der äußere). Den inneren Feind zu stoppen ist unsere Priorität.“ Allein in der Provinzhauptstadt Karachi sind im vergangenen Jahr mindestens 75 Menschen im Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten getötet worden. In der sunnitischen Mehrheit im Land herrscht heftiger Verteilungskampf um Einfluss und Gelder im Staat, während Schiiten zum Teil massiv unterdrückt werden. Gebiete an der Grenze zu Afghanistan sind zu Auffangbecken einheimischer und internationaler Extremisten geworden, in denen Waffen- und Drogenhandel florieren.

Pakistan habe nicht die „Wahl zwischen Militär oder Mullahs“, bilanziert der Bericht, sondern zwischen „Demokratie oder einer Militär-Mullah-Allianz, die verantwortlich ist für den sich behauptenden religiösen Extremismus“. Wegen der wichtigen Rolle, die das Land beim internationalen Antiterrorkampf spielt, müsse der einheimische Extremismus bekämpft werden. Islamabad empfiehlt die ICG unter anderem, das Rechtssystem so zu reformieren, dass Extremisten nicht mehr gestärkt werden, private Scharia-Gerichte aufzulösen und keine bestimmten Religionsgruppen mehr zu bevorzugen. Die USA und die EU sollten dagegen ihren Einfluss geltend machen, damit angekündigte Reformen auch umgesetzt werden.

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