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Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, sieht eine neue Dimension der Bedrohung.

© Soeren Stache/dpa

Islamistischer Terror: Maaßen: Zunehmend minderjährige Extremisten

Auf einem Symposium des Verfassungsschutzes zur Terrormiliz IS warnt Behördenchef Maaßen vor der globalen Bedrohung - und "Do-it-yourself-Anschlägen".

Von Frank Jansen

Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ verfolgt nach Ansicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) eine Doppelstrategie im Kampf gegen den Westen. Der IS schicke Hit-Teams, die Attacken verüben wie in Paris und Brüssel, und er animiere über das Internet zum „Do-it-yourself-Anschlag“, sagte BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen am Montag in Berlin.

Als Beispiel für den „selbstgemachten“ Terror nannte Maaßen den Messerangriff der 15-jährigen Safia S. auf einen Bundespolizisten in Hannover. Die junge Frau hatte am 26. Februar im Bahnhof dem Beamten in den Hals gestochen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Safia S. wegen versuchten Mordes und des Verdachts auf Unterstützung für den IS.

Maaßen sieht eine neue Dimension der globalen Bedrohung, die von der Terrormiliz ausgeht. Stärker als je zuvor befinde sich Deutschland im Fadenkreuz des IS. "Für den Verfassungsschutz steht fest: Der IS will auch Anschläge gegen Deutschland und deutsche Interessen verüben", sagte Maaßen.

Er ließ allerdings offen, ob er den Anschlag von zwei 16-jährigen Salafisten auf einen Sikh-Tempel in Essen auch als Resultat der IS-Hetze im Internet ansieht. Bei der Explosion der von den Jugendlichen gebastelten Bombe waren am 16. April drei Menschen verletzt worden, einer von ihnen schwer. In Sicherheitskreisen heißt es, einer der Täter habe bei Facebook Videos des deutschen IS-Agitators Denis Cuspert gepostet.

Maaßen selbst nannte als weiteren Fall des vom IS inspirierten Do-it-yourself-Terrors den Angriff eines Salafisten im Juni 2015 in Lyon. Der Attentäter hatte erst in dem Unternehmen, in dem er arbeitete, den Chef enthauptet, dann attackierte er eine Gasfabrik und wurde überwältigt. Zwischendurch hatte der Salafist ein Foto von sich und dem abgetrennten Kopf per WhatsApp nach Syrien geschickt. Der IS veröffentlichte das grausige Bild und nannte den Täter „Soldat des Kalifats“.

Minderjährige vom IS indoktriniert

Wachsende Sorgen bereitet dem Verfassungsschutz auch der Zustrom von Kindern und Jugendlichen zum IS. Es sei eine Reihe von Ausreisen Minderjähriger bekannt, sagte Maaßen. 13-jährige Mädchen begäben sich nach Syrien, um dort als „Dschihad-Braut“ einen Kämpfer zu heiraten.

Der BfV-Präsident mahnte die Politik, den Sicherheitsbehörden den Umgang mit Daten junger Extremisten zu erleichtern. Bislang dürften Informationen zu Jugendlichen unter 16 Jahren nur gespeichert werden, wenn es Hinweise auf eine terroristische Bedrohung gebe. „Ich hoffe auf eine Änderung der Rechtsgrundlage“ betonte Maaßen.

Indirekte Unterstützung bekam er vom Chef des niederländischen Nachrichtendienstes AIVD, Rob Bertholee, der auch beim Symposium auftrat. Bertholee sprach von 70 Kindern holländischer Salafisten beim IS. Zwei Drittel der Kinder seien mit dem Eltern von den Niederlanden zur Terrormiliz gereist, ein Drittel sei in Syrien und Irak geboren. Die Kinder und Jugendlichen würden vom IS indoktriniert, sagte Bertholee. Bei Jungen ab neun Jahren beginne ein paramilitärisches Training.

90 Moscheen unter Beobachtung

Zuvor hatte Maaßen im ARD-„Morgenmagazin“ berichtet, dass rund 90 Moscheegemeinden in Deutschland unter geheimdienstlicher Beobachtung stehen. „Wir haben Sorge, dass es viele islamistische Moscheegemeinden in Deutschland gibt, die wir auch in den Blick nehmen müssen“, sagte Maaßen am Montag. Dabei handele es sich um meist arabischsprachige „Hinterhofmoscheen“, wo Anhänger mit Hassreden zum Dschihad aufgewiegelten.

Der Verfassungsschutz beobachte religiöse und politische Extremisten. „Was wir uns nicht anschauen, sind die Muslime in Deutschland“, betonte Maaßen. Er warnte davor, in der Islamdebatte umbescholtene Muslime in einen Topf mit islamistischen Terroristen zu werfen. „Was wir hier in Deutschland brauchen, ist eine Koalition gegen den Extremismus. Und dafür brauchen wir auch die Muslime in Deutschland, die Moderaten, die auf der Grundlage unserer Verfassungsordnung mit uns zusammen gegen den Extremismus ankämpfen wollen.“

Nicht nur IS ist gefährlich

Maaßen und Bertholee warntenbeim Symposium davor, beim Thema islamistischer Terror nur auf den IS zu schauen. Von Al Qaida gehe eine wachsende Gefahr aus, sagte Bertholee. Maaßen sprach von Hinweisen, dass der syrische Ableger der Terrororganisation, die Al-Nusra-Front, „Fähigkeiten für Anschläge im Westen aufbaut“. Bislang hat die mit dem IS verfeindete Nusra-Front vor allem in Syrien verheerende Anschläge verübt.

Angesichts der vielfältigen Bedrohung durch militante Islamisten hat Maaßen wenig Verständnis für das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz. „Ich halte die Entscheidung für ausgesprochen schädlich, sie wird der Gefahr durch den globalisierten Terror nicht hinreichend gerecht“, kritisierte der BfV-Präsident. Das Bundesverfassungsgericht hatte im April die Befugnisse des Bundeskriminalamts beschnitten, darunter auch den Austausch von Informationen mit inländischen und ausländischen Behörden.

Wenig auszusetzen hatte Maaßen indes an der in der vergangenen Woche bekannt gewordenen, vorzeitigen Ablösung des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler. Kanzleramtsminister Peter Altmaier wünsche einen Neuanfang beim BND, deshalb sei die Personalie angesichts des Alters von Schindler – er ist 63 – „eine nachvollziehbare Entscheidung“, sagte Maaßen.

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