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Erwartungsvoller Blick gen Washington. Vor allem unter den wiedererstarkten Republikanern hat Regierungschef Netanjahu viele Freunde.

© REUTERS

Israel: Obamas Schwäche freut Netanjahu

Nach der Wahlschlappe des US-Präsidenten Barack Obama hofft die israelische Regierung auf mehr Nachsicht und Entgegenkommen.

Was mag, aus israelischer Sicht, der Sieg der Republikaner bei den Wahlen zum US-Abgeordnetenhaus bedeuten: Weniger Druck aus Washington auf Jerusalem oder doch eine amerikanische Nahost-Friedensinitiative? Die Antwort versucht der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei seiner an diesem Sonntag beginnenden USA-Visite zu bekommen. In seiner Umgebung herrscht vorsichtiger Optimismus vor.

Es sei nicht ausgeschlossen, dass die durch die Wahlen geschwächte Regierung von US-Präsident Barack Obama Netanjahu einen neuen Vorschlag vorlegen könnte, mit dem Ziel, den Stillstand in den israelisch-palästinensischen Verhandlungen zu überwinden. Der aus den USA zurückgekehrte palästinensische Chefunterhändler Saeb Erakat teilte am Samstag seinerseits mit, dass man ihn in Washington um eine dreiwöchige Frist gebeten habe, um das die Verhandlungen behindernde Problem der Verlängerung des israelischen Siedlungsmoratoriums zu lösen.

Seit am 26. September das zehnmonatige Moratorium abgelaufen ist, haben die Siedler im Westjordanland mit tatkräftiger Unterstützung der Nationalisten in der Regierung ihre Bauaktivitäten wieder aufgenommen und zunehmend intensiviert. Die Palästinenser aber beharren auf einer Neuauflage des Siedlungsbaustopps als Vorbedingung für die Wiederaufnahme von Verhandlungen. Netanjahu lehnt jede Vorbedingung ab, hat sich jedoch in der letzten Zeit, unter amerikanischem Druck stehend, kompromissbereiter gegeben. Er schien, wohl um die Nationalisten, aber auch die gemäßigteren Elemente in seiner Regierung nicht vor den Kopf zu stoßen, zu einem kurzfristigen Baustopp mit allerdings vielen Ausnahmen bereit zu sein.

Doch nun hat der nationalkonservative Politiker Rückenwind erhalten durch den Wahlsieg seiner republikanischen Gesinnungsfreunde, den Zuwachs proisraelischer Hardliner und jüdischer Repräsentanten im Kongress und durch den Auftrieb der ihm ideologisch nahestehenden reaktionären Kräfte in den USA. 12 Senatoren und 27 Abgeordnete im Repräsentantenhaus sind Juden – weit mehr als ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Netanjahu wird sich direkt an sie wenden bei der Konferenz jüdischer Organisationen in New Orleans, wo er auch den stark proisraelischen Vizepräsidenten Joe Biden zu einem privaten Gespräch treffen wird.

Diesem folgt ein offizielles Treffen mit US-Außenministerin Hillary Clinton – aber keines mit dem sich auf Auslandsreise befindenden Präsidenten Obama, mit dem er sich nach heftiger Fehde ausgesöhnt hatte. Netanjahu, der sich diese Woche in Jerusalem mit dem britischen Außenminister William Hague über die Perspektiven des Friedensprozesses unterhalten hatte, wird wegen seiner USA-Visite den in Jerusalem vorsprechenden deutschen Außenminister Guido Westerwelle nicht treffen. Dieser wird sich mit seinem israelischen Amtskollegen Avigdor Lieberman begnügen müssen, also ausgerechnet einem Mann, der über keinen großen Einfluss auf wichtige Entscheidungen verfügt.

Der Volksmund in Israel stellt bei jeder politischen Entwicklung auf der Erdkugel die Frage „Gut für die Juden oder schlecht für die Juden?“, will heißen: Nützt das Israel oder nicht? In Netanjahus engster Umgebung herrscht die Meinung vor, dass die Republikaner wie der jüdische mutmaßliche Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Eric Cantor, oder die wahrscheinliche neue Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses Ileana Ros-Lehtinen als ausgewiesene Israelfreunde Obama zwingen werden, den Druck von Israel auf die Palästinenser zu verlagern. Nicht ohne Stolz verweisen israelische Kommentatoren darauf, dass der 47-Jährige Cantor als bislang ranghöchster Abgeordneter jüdischen Glaubens im Kongress Geschichte schreiben könnte. Cantor sei durch und durch ein Unterstützer Israels, schreibt die „Jerusalem Post“. In scharfer Form habe er bereits sehr früh den Druck der Obama-Regierung im Siedlungsstreit auf Israel kritisiert. Ros-Lehtinen, Republikanerin mit jüdischen Wurzeln mütterlicherseits, sei „einer der direktesten und effektivsten Freunde Israels und Gegnerin des iranischen Atomprogramms“, heißt es. Die 58-Jährige hatte die Obama-Regierung im Siedlungsstreit aufgefordert, mit der Verurteilung „eines unverzichtbaren Freundes der USA“ aufzuhören.

Demgegenüber warnte Vize-Außenminister Dany Ayalon, als ehemaliger Washington-Botschafter einer der besten Kenner amerikanischer Politik, dass ein geschwächter oder gar schwacher Präsident noch immer schlecht für Israel gewesen sei – weil sein Spielraum begrenzt sei und er vermehrt Rücksicht nehmen müsse auf antiisraelisch eingestellte Freunde der USA in der Region. Israel brauche einen starken Mann im Weißen Haus, insbesondere im Zusammenhang mit der Iranpolitik. Ayalon ging am Samstag zudem auf die Verhandlungen mit den Palästinensern ein. Es habe den Anschein, als könnten die beiden Seiten bei den Kernthemen – Grenzziehung, Siedlungsräumungen und Gebietsabtausch, Jerusalem, Flüchtlinge – keine Einigung erzielen. Deshalb müssten die Palästinenser sich überlegen, ob man nicht besser über ein langfristig angelegtes Zwischenabkommen verhandeln sollte.

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