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Israel: Regierung wackelt, fällt aber nicht

Die Regierungskoaltion um Premier Ehud Olmert kann sich auch nach Massenprotesten vorerst an der Macht halten. Außenministerin Zivi Livni muss nach ihrer Kritik nun um ihren Posten bangen.

Jerusalem - Die Lage habe Einfluss auf die Wahl eines neuen Vorsitzenden der Arbeitspartei in den kommenden Wochen, zitierten israelische Medien Berater Olmerts. Bereits jetzt führt der frühere Geheimdienstchef Ami Ayalon in Umfragen. Amir Perez, Olmerts Verteidigungsminister, hat nach dem Libanon-Krieg keine Chancen auf eine Wiederwahl. Ayalon hat angekündigt, die Koalition der Arbeitspartei mit Olmerts Kadima beenden zu wollen. Die Wahl des Parteivorsitzenden beginnt am 28. Mai, aussichtsreicher Kandidat ist unter Anderen Friedensnobelpreisträger Schimon Peres.

In Tel Aviv hatten am Donnerstagabend mehr als 100.000 Israelis bei einer Demonstration den Rücktritt von Ministerpräsident Ehud Olmert und Verteidigungsminister Amir Perez wegen ihrer Fehler im Libanon-Krieg gefordert. Zu dem Protest auf dem zentralen Rabin-Platz hatten Organisationen aus nahezu dem gesamten politischen Spektrum aufgerufen. Eine offizielle Untersuchungskommission hatte Olmert und seinen Verteidigungsminister Amir Perez für "schwere Fehler" im Libanon-Krieg verantwortlich gemacht. Dabei kritisieren die meisten Israelis Olmert nicht etwa für seine Entscheidung zu einem Krieg gegen die libanesische Hisbollah-Miliz, nachdem diese mit einem tödlichen Überfall im Grenzgebiet zwei Soldaten verschleppt hatte. Unbedacht und ohne erreichbare Ziele habe Olmert diesen Kampf geführt, lautet die Kritik.

60 Prozent wollen Rücktritt Olmerts Laut Umfragen wollen mindestens 60 Prozent der Israelis einen Rücktritt Olmerts."Man kann nicht in den Krieg ziehen, wenn man sich nicht über das Vorgehen sicher ist. Es muss richtig geplant sein", sagte einer der Demonstranten, Motti Keren-Sur, ein 62-jähriger Biologe. Eine Frau, deren drei Söhne in dem Krieg kämpften, sagte: "Olmert ist übereilt und arrogant in diesen Krieg gezogen. Ich glaube, jeder hier will ihm zeigen, dass er gehen muss."

Derzeit liegt die Oppositionspartei Likud mit Benjamin Netanjahu in den Umfragen weit vorn. Dieser forderte in einer Parlamentsdebatte auch lautstark Neuwahlen. Olmert blieb die ganze Zeit über still und ließ seinen Koalitionspartner Peres sprechen. Er konnte einen Sturz und damit verbundene Neuwahlen verhindern und die Koalition noch einmal vereinen. Denn die meisten Kadima-Abgeordneten würden wohl ihren Sitz verlieren. Nur Marina Solodkin, Zipi Livni und Avigdor Izchaki stellten sich offen gegen den ungeliebten Premier, letzterer nahm sogar den Hut als Fraktionschef.

Jetzt ist Livni unter Druck Die beliebte Aussenministerin Livni muss nun auch darum bangen, ihren Hut nehmen zu müssen. Ihre zögerliche Kritik hat Olmert nicht zu Fall gebracht. Auch blieb sie trotz allem Mitglied der Regierung, was ihr von der Bevölkerung Übel genommen wird. Sie galt lange als mögliche Nachfolgerin des 61-jährigen Premiers. Im August will die Kommission einen Abschlussbericht zum "zweiten Libanon-Krieg" vorlegen, bis dahin hat Olmert Zeit seinen Abgang zu organisieren. (tso/dpa)

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