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Israel: Schwierige Regierungsbildung

Israels Oppositionschef Netanjahu kann sich nicht durchsetzen. Außenministerin Livni fehlt die Mehrheit.

Zipi Livni und Rechtsblock heißen die großen Sieger der israelischen Knessetwahlen. Livnis Kadima-Partei besiegte – zumindest gemäß den Nachwahlbefragungen und ersten Hochrechnungen – den nationalkonservativen Likud unter Benjamin Netanjahu. Netanjahu rief aber bereits die nationalistischen und religiösen Parteien zur Bildung einer Regierungskoalition auf.

Kadima, Partei der Mitte, unter der bisherigen Außenministerin Zipi Livni erhielt – immer gemäß den Nachwahlbefragungen der drei TV-Sender – 29 bis 30 Mandate. Der Likud kommt demnach auf 27 bis 28 Mandate, und läge damit um zwei Mandate zurück. Drittgrößte Partei ist die ultranationalistische „Israel Unser Haus“ unter Führung Avigdor Liebermans mit 14 bis 15 Mandaten vor der von Verteidigungsminister Ehud Barak geführten Arbeitspartei, die auf 13 Mandate kommen sollte. Es folgen die ultrareligiöse Shas mit 9 bis 10 Mandaten sowie die linke Meretz und das ultrareligiöse Thorajudentum. Zwei nationalistische Rechtsaußenparteien kamen auf je drei Mandate, die drei arabischen Parteien, darunter die Kommunisten auf je 2 bis 4 Mandate.

Insgesamt kommt damit der Rechtsblock auf 63 bis 64 Mandate, würde also über eine relativ knappe parlamentarische Mehrheit verfügen. Netanjahus erste Reaktion, in der er nicht die Niederlage eingestand, sondern die potenziellen Koalitionspartner auf der äußersten Rechten und im religiösen Lager zur Kooperation aufrief, könnte bei diesen durchaus auf offene Ohren stoßen.

Doch ob es sich Netanjahu, der als hoher Favorit in den Wahlkampf gestiegen war und aus diesem als Verlierer hervorgeht, leisten kann, gegen den offensichtlichen Wählerwillen das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen und ob ihm Staatspräsident Schimon Peres angesichts dieser Ausgangslage den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt, scheint fraglich.

Außer Netanjahu und dem Likud müssen Lieberman (Israel Unser Haus) trotz erheblichen Mandatsgewinnen und die Shas als eigentliche Verlierer dieser Wahlen gelten, die auch das Ende der Rentnerpartei brachten. Lieberman hatte aufgrund der Meinungsumfragen der letzten Wochen mit erheblich mehr Mandaten gerechnet, und offen die Zahl 20 ausgesprochen. Shas wiederum liefen die Wähler offensichtlich zu Lieberman und Likud weg.

Zipi Livni erwies sich in diesem Wahlkampf als mutige und unermüdliche Alleinkämpferin, vor allem aber als äußerst erfolgreiche, während Netanjahu wohl allzu siegessicher war und nun die dritte Wahlniederlage in Folge erlitt. Livnis Wahlsieg ist in erster Linie ein Nein zu Netanjahu als Person, aber auch als eine Absage an seine Kompromisslosigkeit zu werten. Wie sehr die Furcht der Wähler vor einer Konfrontation Netanjahus mit US-Präsident Obama wahlbeeinflussend war, werden erst die tiefergehenden Analysen aufzeigen.

Livni bestach in der letzten Wahlkampfphase durch ihre Natürlichkeit, die sie deutlich von Netanjahus nur schwerlich unterdrückter Arroganz abhob. Zwar bleiben auch nach der Wahl ihre detaillierten Vorstellungen in Bezug auf praktisch alle Bereiche der Politik nebulös. Doch anders als Netanjahu tritt Livni gegenüber den Palästinensern und Syrien für Verhandlungen ein, in deren Verlauf sie zu erheblichen territorialen Konzessionen und zur Gründung eines Staates Palästina in Nachbarschaft mit Israel bereit ist.

Charles A.Landsmann[Tel Aviv]

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