zum Hauptinhalt

Politik: Israel: Terror überschattet Regierungsbildung

Wenige Tage vor der geplanten Vorstellung der neuen Regierung in Israel hat ein Bombenanschlag in der Küstenstadt Netanja vier Todesopfer gefordert. Unter den Toten ist auch der Selbstmordattentäter.

Wenige Tage vor der geplanten Vorstellung der neuen Regierung in Israel hat ein Bombenanschlag in der Küstenstadt Netanja vier Todesopfer gefordert. Unter den Toten ist auch der Selbstmordattentäter. Mehr als 60 Menschen wurden bei der gewaltigen Explosion im belebten Zentrum der Stadt zum Teil schwer verletzt. Der designierte israelische Ministerpräsident Ariel Scharon sagte, der Anschlag unterstreiche die Notwendigkeit, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden.

Die Bombe explodierte gegen 8.55 Uhr Ortszeit (7.55 Uhr MEZ) an einer zentralen Kreuzung in der Nähe des Marktplatzes. Der Täter trug Augenzeugen zufolge die Bombe in einer Tasche und stand mit Passanten vor einem Zebrastreifen. Einige Beobachter berichteten, der Mann habe noch versucht, in einen Bus zu steigen, sei aber daran gehindert worden. Die Wucht der Detonation war so stark, dass ein Auto in die Luft geschleudert wurde. Mehrere Läden in der Nachbarschaft wurden beschädigt.

Der Sonntag ist in Israel ein gewöhnlicher Arbeitstag, die Straßen im Zentrum von Netanja waren voller Menschen. "Alles war voll dichter Rauchwolken", sagte der Schulbusfahrer Meir Majos, der gerade sein Fahrzeug an einer Tankstelle in der Nähe des Tatorts auftanken wollte. "Ich sah zwei Menschen auf der Straße liegen und wollte ihnen Erste Hilfe geben. Aber sie waren tot." Der städtische Angestellte William Weiss berichtete von grauenhaften Szenen am Tatort. "Da lagen Hände, Beine, Fleisch und ein Kopf herum. Es stellte sich heraus, dass dies offenbar der Kopf des Terroristen war."

Der neuerliche Bombenanschlag - seit Beginn des palästinensischen Aufstands Ende September vergangenen Jahres verging kaum ein Monat ohne Terrorakt - löste in der israelischen Öffentlichkeit eine Stimmung der Verzweiflung und der Ausweglosigkeit aus. Der scheidende Ministerpräsident Ehud Barak sagte in einer Kabinettssitzung, Israel müsse eine beharrliche Politik der Ausdauer verfolgen. Alles andere spiele den Terroristen in die Hände. Scharon sagte, Israel befinde sich in einer unruhigen Phase, die "die Wichtigkeit einer Regierung der nationalen Einheit demonstriert". Am Mittwoch will er sein Kabinett vorstellen, dem auch Minister von Baraks Arbeitspartei angehören sollen.

Die palästinensische Untergrundorganisation Hamas drohte erst kürzlich mit Selbstmordanschlägen, um gegen die Wahl des rechtsgerichteten Politikers Ariel Scharon zum neuen israelischen Ministerpräsidenten zu protestieren. Für die Selbstmordanschläge in Israel stünden schon zehn Märtyrer bereit. Sie würden ihre Arbeit am Tag des Regierungsantritts von Scharon aufnehmen, hieß es in der Hamas-Erklärung, die vom militärischen Arm der palästinensischen Organisation unterzeichnet ist, den Iss-el-Din-el-Kassam-Brigaden. Hamas-Sprecher Machmud Sahar sagte im Gazastreifen, es sei derzeit noch nicht bekannt, wer den Anschlag ausgeführt habe. Sahar fügte hinzu: "Der Widerstand wird andauern, bis wir die Besetzer aus unserem Land vertrieben haben."

Israels Armeechef Schaul Mofas forderte wegen der seit Ende September anhaltenden Unruhen in den Palästinenser-Gebieten ein härteres Vorgehen. "Wir müssen den Kampf gegen den Terrorismus mit all unserer Kraft fortsetzen", sagte Mofas im israelischen Rundfunk. Er beschuldigte die Palästinenser-Führung, vor fünf Monaten das Signal für den Aufstand gegen Israel gegeben zu haben. Bei den Unruhen kamen mehr als 400 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen Palästinenser.

Unterdessen dauerte die Gewalt in den Autonomiegebieten weiter an. Im Gazastreifen wurde am Sonntag ein Palästinenser schwer verletzt; er wurde von einer Kugel im Unterleib getroffen. Am Samstag kamen drei Palästinenser im Westjordanland ums Leben, unter ihnen eine 43-jährige Frau in der Stadt El Bireh.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false