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Politik: Israels Armee zieht bis 8. September ab

Nach der Räumung des Gazastreifens gibt es viel Lob für Soldaten und Polizisten – und für Scharon

Israel hat die Zwangsräumung aller 21 Siedlungen im Gazastreifen und von vier weiteren im nördlichen Westjordanland abgeschlossen. Ministerpräsident Ariel Scharon hat Wort gehalten. Der Truppenabzug aus dem Gazastreifen wurde nun auf den 8. September vorgezogen.

Am Dienstag räumten die Sicherheitskräfte noch zwei Siedlungen im Westjordanland, Homesch und Sanur, in denen viel Widerstand erwartet worden war. Die beiden Siedlungen Ganim und Kadim waren bereits vor einiger Zeit von ihren Einwohnern freiwillig verlassen worden. Der erwartete Widerstand von mehr als 2000 rechtsextremen Unterstützern der Siedler war zwar zum Teil gewalttätig, doch weniger heftig als befürchtet. Die meisten der 60 Siedlerfamilien verließen Homesch und Sanur nach gemeinsamen Gebeten widerstandslos. Am Montag und in der Nacht auf Dienstag hatten die Ortsräte mit den Extremisten verhandelt, damit diese sich mäßigten. Einige Menschen wurden dennoch leicht verletzt.

Zwar wurden Soldaten und Polizisten auch in den beiden letzten Siedlungen von den Militanten zuerst mit Tomaten, Eiern, Ketchup und Mehl, danach mit allerlei Unrat, Öl und Wasser überschüttet, doch noch viel mehr mit Lob – von allen Seiten. Medien, Politiker, die gesamte gebannt vor dem Fernsehschirm die Räumungen verfolgende Nation, und zum Abschluss auch die Oberkommandierenden äußerten sich in Superlativen über das Vorgehen der Sicherheitskräfte.

Rund 55000 Frauen und Männer nahmen an der größten Militäraktion in Friedenszeiten teil. Erstmals arbeiteten die beiden großen Sicherheitsorgane zusammen. Vor allem das Tempo beeindruckte. Denn mit dem Abschluss der Räumungen war zunächst nicht vor dem 4. September gerechnet worden. Die Armee will nun ihren Truppenabzug aus dem Gazastreifen bereits am 8. September abschließen. Das war zum Jahresende vorgesehen.

Überrascht wurde vor allem die Polizei durch das Verhalten der Zivilbevölkerung. Obwohl praktisch keine Polizisten in den Städten und Dörfern zurückblieben und keine Radarkontrollen stattfanden, ging die Anzahl der Verkehrsunfälle um ein Viertel zurück, ebenso diejenige der Einbrüche und Diebstähle. Was einen Polizeisprecher zum launigen Kommentar veranlasste: „Die Gauner schauten sich wohl lieber die spannenden Direktübertragungen der Zwangsräumungen an, als in der Bruthitze ihre Verbrechen zu verüben.“

Die Siedler und die ihnen nahe stehenden Politiker verstärken dagegen ihre Klagen gegen die Räumungsbehörde. Vor allem die Unterbringung der Zwangsgeräumten sei vollkommen ungenügend. Doch noch immer stehen 60 von den Siedlern angeforderte provisorische Wohnheime für zwei Jahre frei. Dann sollen die neuen Häuser bezogen sein. Auch hunderte Mietwohnungen, für die der Staat bezahlt, stehen noch leer. Die meisten Siedler aus dem Gazastreifen sind in Hotels im Süden, aber auch in Jerusalem untergebracht und haben sich noch nicht entschieden, was sie wollen.

In einer Sondersitzung soll nun die Knesset über den „Skandal der Räumungs- und Entschädigungsbehörde“, so die nationalistischen Abgeordneten, beraten. Am besten in einer Sondersitzung. denn das Parlament macht gerade Ferien. In dieser Sitzung wollen sie vorzeitige Neuwahlen durchsetzen, entweder durch den Sturz der Regierung Scharon mit einem Misstrauensantrag oder aber per Parlamentsauflösung.

Eine erste Meinungsumfrage nach Abschluss der Räumung könnte allerdings einen Meinungsumschwung bei den Likud-„Rebellen“ auslösen. Denn danach hat die erfolgreiche Räumung Scharon auch innerhalb der Likud-Partei viel Sympathie eingebracht. Noch vor zwei Wochen wollten 42 Prozent von ihnen den aus Protest zurückgetretenen Finanzminister Benjamin Netanjahu zum neuen Parteichef und Spitzenkandidaten wählen und nur 27 Prozent Scharon. Jetzt vereinigt der amtierende Regierungschef 35,51 Prozent der Stimmen auf sich, Herausforderer Netanjahu nur noch 28,31.

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