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Geld und Briefe wurden bei der Festnahme in der Istanbuler Wohnung gefunden.

© Ozan Kose/AFP

Istanbul: Gefasster Reina-Attentäter soll gestanden haben

Schon vor drei Tagen haben die türkischen Behörden nach eigenen Angaben den mutmaßlichen Attentäter aus der Silvesternacht gefasst. Bei ihm wurden fast 200.000 Dollar gefunden.

Man hat ihn in Syrien vermutet, zurück bei der Terrormiliz "Islamischer Staat", oder gar auf einer der griechischen Inseln vor der türkischen Küste, wo er sich als Flüchtling hätte ausgeben können, in Begleitung seines vierjährigen Sohnes, um keinen Verdacht zu erregen. Doch Abdulkadir Mascharipow, der Attentäter aus der Silvesternacht in Istanbul, verbarg sich nur rund 40 Kilometer weit vom Tatort in einem Wohnblock im Westen der Millionenstadt. Seine Verhaftung nach zwei Wochen Fahndung ist wohl der größte Erfolg der türkischen Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den IS und eine weitere Wende in der verwickelten, drei Jahre langen Geschichte der Türkei mit der Terrormiliz.

Drei afrikanische Frauen festgenommen

Der Zugriff sei bereits vor drei Tagen erfolgt, so berichteten türkische Medien am Dienstag unter Berufung auf den Polizeichef von Istanbul. Die Nachricht über den Sturm auf die Wohnung in Esenyurt, einem Vorort Istanbuls, wurde gleichwohl Montagnacht verbreitet. "Das Monster wurde gefasst", lasen die Türken am Dienstagmorgen auf vielen Titelseiten der Zeitungen.

Mascharipows Festnahme kurz vor Mitternacht in der fünften Etage eines Wohnblocks, unmittelbar an einer mehrspurigen Schnellstraße, hat nach Polizeiangaben 20 Minuten gedauert. Zwei Pistolen und 197.000 Dollar Bargeld stellte die Polizei sicher. Drei Frauen aus Ägypten, Senegal und Somalia, die sich ebenso wie ein Iraker in der Wohnung aufhielten, wurden gemeinsam mit Mascharipow festgenommen.

Bilder von der Festnahme kritisiert

"Er ist ein gut ausgebildeter, viersprachiger Terrorist", sagte Istanbuls Gouverneur. Mascharipow war zeitweise mit einem kirgisischen Geschäftsmann mit ähnlichem Namen verwechselt worden, dann in türkischen Medien unter Berufung auf die Ermittler als "turkstämmiger Uigure" aus China präsentiert worden. Tatsächlich soll er Usbeke tadschikischer Abstammung sein und seit 2011 mehrfach mit seiner Familie in die Türkei ein- und ausgereist sein, ohne sich je registrieren zu lassen. Unter dem Kodenamen Abu Mohammed Khorasani schloss sich Mascharipow wie eine Reihe anderer Islamisten aus Zentralasien dem IS an.

Rund 150 Adressen hatte die Polizei seit dem Anschlag von Neujahr durchsucht, 50 Verdächtige festgenommen und 7200 Stunden Videos von Sicherheitskameras ausgewertet, gab Vasip Şahin, der Gouverneur von Istanbul, an. Türkische Twitternutzer riefen wieder nach der Todesstrafe, andere kritisierten die Bilder von der Festnahme, die von der Polizei veröffentlicht wurden: das zerschundene Gesicht Mascharipows mit Blutflecken auf dem T-Shirt und der Stiefel eines Polizeibeamten auf dem Kopf des am Boden liegenden Mitbewohners. Mascharipows kleiner Sohn soll während des Polizeieinsatzes nicht mehr in der Wohnung gewesen sein.

Anschlag im Auftrag des IS

Der 34-jährige Usbeke Mascharipow war in der Neujahrsnacht in den renommierten Nachtklub "Reina" gestürmt und hatte einen Polizisten und 38 Gäste erschossen. 71 Menschen wurden in dem Kugelhagel verletzt. Mascharipow habe gestanden, die Tat verübt zu haben, erklärte Istanbuls Gouverneur Sahin am Dienstag. Es sei klar, dass der Anschlag im Auftrag des IS ausgeführt worden sei.

Şahin benutzte nicht den Namen "Islamischer Staat" für die Terrormiliz, sondern - wie üblich in der türkischen Politik - die arabische Abkürzung Daeş. Es soll vermeiden helfen, die Terrororganisation mit dem Islam zu verbinden. Die konservativ-islamische Regierung hatte lange in Abrede gestellt, dass der IS eine Gefahr für die Türkei darstellt. "Verärgerte Sunniten im Irak" nannte der ehemalige Außenminister und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu zu Beginn noch die Mitglieder der Terrormiliz.

Der Anschlag auf die Neujahrsfeier im "Reina" war der bisher letzte Terrorakt des IS in der Türkei in einer langen Serie, die offenbar im März 2014 mit der Ermordung zweier Polizisten in Nigde in Zentralanatolien begann. Im Juni jenes Jahres verhandelte die türkische Regierung mit dem IS über die Freilassung von Konsulatsmitarbeitern in Mossul im Nordirak, die von der Terrormiliz als Geiseln genommen worden waren. Im Juni vergangenen Jahres verübten IS-Terroristen aus Zentralasien einen Selbstmordanschlag auf den Istanbuler Atatürk-Flughafen.

Noch am Montag, als die Nachricht von Mascharipows Festnahme verbreitet wurde, soll der IS neue Drohungen gegen die Türkei ausgestoßen haben. Ein  Video zeigt angeblich IS-Terroristen, die eine der Bosporusfähren und die Straßenbahn auf der europäischen Seite benutzen, um Ziele für neue Anschläge auszumachen.

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