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Politik: Istanbul in Angst vor den Islamisten

Nervös kauert der Krämer im Istanbuler Stadtteil Etiler hinter seinem Tresen und blickt auf einen Minibus mit abgedunkelten Scheiben vor seinem Geschäft. „Das Kennzeichen lautet …“, diktiert er der Notrufzentrale mit gedämpfter Stimme in den Telefonhörer.

Nervös kauert der Krämer im Istanbuler Stadtteil Etiler hinter seinem Tresen und blickt auf einen Minibus mit abgedunkelten Scheiben vor seinem Geschäft. „Das Kennzeichen lautet …“, diktiert er der Notrufzentrale mit gedämpfter Stimme in den Telefonhörer. Falschparker sind in der Stadt am Bosporus normal kein Thema, doch vor dem am Montag beginnenden NatoGipfel geht die Angst um. Die Polizei fahndet nach gestohlenen Lastern, die für Sprengstoffanschläge wie jene vom November eingesetzt werden könnten, ständig werden Sprengsätze gefunden, am Freitagabend sollte die Polizei vor dem Flughafen ein mit Sprengstoff beladenes Auto entdeckt haben, was später dementiert wurde. Viele Istanbuler fürchten, dass die Anschläge vom Donnerstag nur der Anfang waren – und dass mit dem Besuch des Präsidenten George Bush und dem Nato-Gipfel eine Welle des Terrors über das Land rollen wird.

Die Türkei sei stark genug, um für Sicherheit zu sorgen, versicherte Außenminister Abdullah Gül – doch viele Istanbuler sind da skeptisch. Schließlich konnte das Sicherheitsaufgebot von 30 000 Mann, das alleine für den Nato-Gipfel in Istanbul abgestellt ist, den Anschlag vom Donnerstag nicht verhindern, bei dem vier Menschen in einem städtischen Bus getötet wurden. In Ankara kamen die Bombenleger sogar bis auf wenige Meter an das Hotel heran, in dem Bush am Samstag absteigen soll. Und in Istanbul tauchten seither noch mehrere Sprengsätze auf, die rechtzeitig entschärft werden konnten. „Wir werden gewinnen“, stand auf einem Zettel, der an einer Bombe im Stadtteil Kagithane gefunden wurde. „Kein Mensch fühlt sich hier noch sicher“, sagt ein Geschäftsmann im Stadtzentrum nahe der Nato-Tagungsstätte. „Ich lasse meine Kinder jedenfalls nicht mehr auf die Straße.“

Die Einwohner von Istanbul stehen mit ihren Befürchtungen nicht alleine da. Die israelische Fluggesellschaft El Al, die sich einen Ruf als Seismograph für Sicherheitsfragen erworben hat, stellte ihre Linienflüge nach Istanbul bis auf weiteres ein. Und die Polizei jagt rund 30 Kleinlastern nach, die in den vergangenen Wochen im Großraum Istanbul gestohlen wurden. Zwar ist auch Autodiebstahl der Millionenmetropole nicht fremd, doch wurden überwiegend Kleinlaster derselben Marke entwendet – was schreckliche Erinnerungen an die Istanbuler Terroranschläge vom vergangenen November weckt, bei denen mehr als 60 Menschen getötet wurden. Die tonnenschweren Sprengsätze wurden damals mit vier Kleinlastern transportiert, die alle vom selben Hersteller stammten.

Den Hintermännern jener Anschläge gilt die eigentliche Furcht der Istanbuler – und weniger den Linksextremisten, die offenbar hinter den Anschlägen vom Donnerstag steckten. Eine junge Frau aus der linksextremen Szene, die wegen anderer Anschläge gesucht wurde, brachte die Bombe in den Bus und starb, als sie vorzeitig detonierte. Al Qaida, glauben die Türken, liegt noch auf der Lauer.

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