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Cap Anamur

© dpa

Italien: "Cap Anamur" - Lebensretter, keine Provokateure

Freispruch: Die Flüchtlings-Hilfsorganisation Cap Anamur muss nicht für einen umstrittenen Einsatz büßen. Die medienwirksame Inszenierung des Hilfseinsatzes hat aber der Sache geschadet.

Vier Jahre Haft und jeweils 400.000 Euro Geldbuße hatte der Staatsanwalt gefordert. Elias Bierdel, der frühere Chef der Flüchtlingshilfsorganisation Cap Anamur, und der Kapitän des gleichnamigen Schiffs, Stefan Schmidt, sollten hart bestraft werden dafür, dass sie „in bandenmäßigem Stil die illegale Einwanderung gefördert“ hätten. Die Richter indes sahen es am Mittwoch im sizilianischen Agrigent ganz anders.

Drei Jahre hatte sich der Prozess hingeschleppt; die Justiz befand sich im Zwiespalt: Sollte sie dem Druck der härter gewordenen Einwandererpolitik in Italien nachgeben und ein Exempel statuieren? Oder war, was die Leute von Cap Anamur getan hatten, nicht doch ein menschlich gebotener Akt der Lebensrettung?

Abstecher nach Malta

Der Aktion von Cap Anamur war von Anfang an umstritten. Nur in einem bestand nie Zweifel: Dass sie politisch ungeschickt angelegt war und auf Dauer keinem Flüchtling genützt hat - im Gegenteil. Die Geschichte beginnt am 20. Juni 2004, als die „Cap Anamur“ in internationalen Gewässern zwischen Malta, Italien und Afrika ein Schlauchboot mit Flüchtlingen entdeckt. Der Kapitän nimmt die 37 Menschen an Bord. Ein anderes Flüchtlingsboot, das nicht „gerettet“ werden will, geleitet man nach Malta.

Dann wird die Sache unübersichtlich. „Cap Anamur“ sagt, man habe für die Flüchtlinge weder in Deutschland noch in Italien Aufnahme gefunden und sei deswegen gezwungen gewesen, im Mittelmeer herumzukreuzen. Kritiker sagen, Elias Bierdel, der damalige Chef der Hilfsorganisation, habe die Sache zum Medienspektakel machen wollen; das Schiff habe die Flüchtlinge deswegen nicht einfach an der nächsten Küste abgeben können, weil Bierdel erst persönlich an Bord habe kommen wollen - im Gefolge zwei deutsche Fernsehteams. Bierdel habe die Flüchtlinge instrumentalisiert, um politisch zu provozieren.

Wenig hilfreiche Inszenierung

Italiens Regierung jedenfalls schaltet auf stur; das Land, das damals pro Jahr bis zu vierzigtausend „Bootsflüchtlinge“ verkraften muss - und tatsächlich aufnimmt - will sich nicht in die Rassisten-Ecke stellen lassen. Erst nach drei Wochen, als die Zustände an Bord unerträglich werden, darf die „Cap Anamur“ in Sizilien landen. Dass Bierdel zu diesem Anlass allen Flüchtlingen, fernsehwirksam, ein T-Shirt der Organisation überstreift und selbst die Arme zur Siegerpose hochreckt, verstärkt den Eindruck der Inszenierung.

Diesen Verdacht hegt auch die Hilfsorganisation selbst. Ihr Gründer und frühere Leiter, Rupert Neudeck, distanziert sich von seinem Nachfolger; Bierdel wird kurz darauf abgewählt. Italien, das sonst die allermeisten Flüchtlinge schon einfach deswegen laufen lässt, weil man verwaltungstechnisch und polizeilich der Masse nicht Herr wird, geht mit betonter Strenge gegen die 37 von der „Cap Anamur“ vor: Bis auf einen werden alle unverzüglich abgeschoben, ohne dass man einen möglichen Asylanspruch auch nur geprüft hätte.

Nicht nur das: Der Prozess in Agrigent sollte mit besonderer Strenge geführt werden, um „Nachahmungstäter“ abzuschrecken. Das hatte zur Folge, dass Fischkutter, die früher selbstverständlich bedürftigen Flüchtlingen im Mittelmeer geholfen haben, danach lieber einen Bogen um deren Boote machten; die Besatzungen wollten sich juristische Qualen ersparen. Damit war das Risiko für Flüchtlinge seit dem „Hilfseinsatz“ von Cap Anamur sogar noch größer geworden, nicht kleiner.

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