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Italien: Drag-Queen versus Berlusconi

An schillernden Figuren hat es der italienischen Politik noch nie gemangelt. Nun bekommt Berlusconi Konkurrenz von von einem 'übergeschlechtlichen' Paradiesvogel mit Ideen und Programm.

Rom - Aber wenn Anfang April auf der Appenin- Halbinsel die Wahlen anstehen, wird jetzt wohl erstmals eine Drag- Queen in die ehrwürdigen Hallen des italienischen Parlaments einziehen. Vladimir Luxuria heißt er/sie, bezeichnet sich selbst als «Transgender» (übergeschlechtlich) - und ist vielen Menschen im Land bereits seit Jahren aus Filmen, Theaterstücken, Talkshows und Discotheken ein Begriff. Anders als viele Politiker hat Luxuria Ideen und ein Programm, was den Chef der linken Partei Rifondazione Comunista - Fausto Bertinotti - dazu anspornte, den Transvestiten an die Spitze der Wahlliste von Rom und Provinz zu setzen.

Schlicht, mit einem Hauch von Make-up, das schwarze mittellange Haar streng mit einem Mittelscheitel geteilt, tritt Vladimir vor die Presse. Allerhöchstens der knallorange Satin-Blazer verleiht einen Touch von Extravaganz. Im wahren Leben ist Luxuria das Gegenteil von dem ausschweifenden Showmenschen in exzessiven Outfits, den er/sie sonst auf der Bühne präsentiert. Bürgerlich im Jahr 1965 als Wladimiro Guadagno geboren, bemerkte er bereits als Jugendlicher, dass er sich nicht mit seinen äußerlichen Geschlechtsmerkmalen identifizieren konnte.

Heute ist Luxuria weder männlich noch weiblich - und kommt im Gegensatz zu vielen anderen mit dieser Situation bestens zurecht. Er/sie ist eine echte Persönlichkeit und will sich künftig im Parlament für Themen stark machen, von denen er/sie was versteht. Schließlich war es Vladimir, der 1994 die erste Gay-Pride-Parade in Rom organisierte, die seither zu einer echten Institution geworden ist.

Kritiker der Kandidatur erinnern immer wieder an den ungarischen Pornostar Ilona Staller, besser bekannt als «Cicciolina». Sie war 1987 für die radikale Partei über ein Direktmandat in das italienische Parlament gewählt worden. Dort setzte sie sich - mit durchwachsenem Erfolg - gegen Atomenergie und gegen den Hunger in der Welt ein. Eine für viele ungewöhnliche Parlamentarierin ist auch Alessandra Mussolini, die Enkelin des Diktators Benito Mussolini. Sie wird mit ihrer neofaschistischen Partei «Alternativa Sociale» im Bündnis von Ministerpräsident Silvio Berlusconi um Stimmen ringen.

Im Mittelpunkt von Luxurias Programms stehen «heiße Eisen», wie die Emanzipation der Homosexuellen, das Recht auf Partnerschaftsverträge, das Asylrecht für Schwule, die in ihren Heimatländern verfolgt werden, mehr Rechte für Prostituierte und die Legalisierung weicher Drogen. «Meine Kandidatur ist sehr wichtig», sagt Luxuria selbstbewusst. Er/sie will die Stimme all derjenigen sein, die im streng katholischen Italien bisher kaum zur Sprache kamen. «Italien hat so ein arrogantes Verhalten und pocht auf der Moral mit großem "M" - Sodom und Gomorra ist immer anderswo.» Viele Fans sehen Luxuria als Minister(in) für Gleichstellung.

Den politischen Gegnern der Mitte-Rechts-Koalition ist Vladimir bereits ein Dorn im Auge. «Innenminister Giuseppe Pisanu hat mich als Karnevalsfigur, als obszön, als ernstes Problem bezeichnet», ärgert sich Vladimir. Und auch Berlusconi ereiferte sich zuletzt: «Wollt ihr, dass so eine Luxuria an die Regierung kommt?» Aber die schlagfertige Drag-Queen-Politikerin lässt sich davon nicht unterkriegen: «Ich bin Berlusconi nicht böse. Der schminkt sich doch auch und trägt Absätze.» (Von Carola Frentzen, dpa)

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