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Italien: Kraftprobe für Berlusconi im Parlament

Überstunden im italienischen Parlament: Nachdem Silvio Berlusconi seinen parteiinternen Kontrahenten Fini abgesetzt hat, muss er um seine Mehrheit bangen.

Rom - Überstunden im italienischen Parlament: Zwar wollten die Abgeordneten schon längst in der Sommerpause sein, aber nachdem Silvio Berlusconi seinen parteiinternen Kontrahenten Gianfranco Fini vor die Tür gesetzt hatte und daraufhin 43 Anhänger Finis aus der Fraktion ausgezogen waren, musste zuerst einmal Klarheit über die aktuellen Mehrheitsverhältnisse geschaffen werden.

Diese sehen nach der Abstimmung vom Mittwochabend folgendermaßen aus: Berlusconi verliert in einer der beiden gleichberechtigten Parlamentskammern, dem Abgeordnetenhaus, seine Mehrheit – und zwar deutlich, um etwa 40 Stimmen. Er kann aber weiterregieren, wenn sich die Anhänger Finis – wie am Mittwochabend geschehen – zumindest der Stimme enthalten. Die Opposition allein hat ohne einen Seitenwechsel der „Finiani“ nach wie vor nicht die Kraft, den Regierungschef zu stürzen.

Zur aktuellen Kraftprobe nutzten alle Seiten ein Misstrauensvotum der Opposition gegen Justizstaatssekretär Giacomo Caliendo, den die Staatsanwaltschaft der „Bildung einer geheimen Vereinigung“ zu politischen und/oder kriminellen Umtrieben verdächtigt. Berlusconi hatte die Anhänger Finis gewarnt: Sollten sie sich auf die Seite der Opposition schlagen und damit einen parlamentarischen „Unfall“ auslösen, werde er unverzüglich Neuwahlen beantragen. Wie ernst er selbst die Drohung nahm, ist unbekannt. Wahlforscher sagen, Berlusconi müsse nach dem Bruch zuerst einmal seine eigene Partei neu ordnen; außerdem befinde er sich im Umfragetief. Andererseits hätte der knapp 74-Jährige bei Wahlen im Herbst wohl zum letzten Mal die Chance, durch seine Persönlichkeit die abgespaltenen parteiinternen Gegner an den Rand zu drängen.

Es waren Befürchtungen dieser Art, die Gianfranco Fini dazu bewogen, den offenen Konflikt fürs Erste zu vermeiden. Unter dem Motto „Wir sind keine Verräter“ schwor Fini seine Anhänger für das Misstrauensvotum auf Enthaltung ein. Um ferner nach außen ein Vorbild loyalen Verhaltens abzugeben und um Berlusconi auch noch den letzten Vorwand für den endgültigen Bruch zu nehmen, ermahnte Fini seine Vertreter in der Regierung ausdrücklich, für Berlusconi zu votieren.

Auf Enthaltung geeinigt hatte sich der amtierende Parlamentspräsident zuvor auch mit den Christdemokraten und anderen Kleingruppen der politischen Mitte. Da sich auch diese derzeit für Wahlen nicht hinreichend gerüstet fühlen, begrüßten sie die unerwartete Annäherung Finis an sie durchaus.

Selbst die Demokratische Partei als größte Kraft der Opposition hat derzeit offenbar kein großes Interesse an Neuwahlen. Sie plädierte für eine „technische Übergangsregierung“ mit Finanzminister Giulio Tremonti an der Spitze. Der womöglich Unglücklichste in dieser Situation ist Berlusconi selbst. Insider berichten, er habe „Angst, nun auf kleiner Flamme weichgekocht zu werden“. Italiens Kommentatoren sind sich einig: Der wahre Konflikt ist auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben.Paul Kreiner

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