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Italien: Prodis letzte Schlacht

Italiens Regierungschef ist im Senat untergegangen. Vor zehn Jahren brachten ihn die Kommunisten zu Fall - diesmal ist es eine Minipartei vom anderen Ende des Spektrums seines breiten Mitte-links-Bündnisses.

All dies ist Romano Prodi immer wieder nachgesagt worden: Er sei ruhig und trocken, um nicht zu sagen langweilig. In der vorläufig letzten Schlacht des italienischen Regierungschefs kamen nun aber neue Attribute für den Wirtschaftsprofessor mit dem mangelnden Charisma auf - jetzt war er eigensinnig und heroisch, er trug die Krise ins Parlament, obwohl er doch rechnen kann. Denn seit dem Ausstieg einer Mini-Partei mit drei Senatoren war dem seit 618 Tagen regierenden Prodi der Boden entzogen. Was tun? Das war für ihn keine Frage: Prodi gab sich kämpferisch und stur. Er ging den Weg bis zum bitteren Ende. Der Senat bescheinigte ihm, was schon vorher klar schien - er hat kein Vertrauen mehr in "Il Professore".

Italien wäre nicht Italien, mit mehr als 60 Regierungen seit dem Zweiten Weltkrieg, wenn eine akute Regierungskrise einfach mit Vertrauensfrage, Rücktritt der Ministerriege und Neuwahlen aus der Welt geschafft werden könnte. Und so blieben 72 Stunden Zeit für das Bangen und Hoffen, Schachern und Sondieren bis zu dem entscheidenden Showdown am Tiber. Die Frage, ob Prodi seine Vertrauensfrage in der zweiten Kammer überhaupt noch stellen sollte, gehörte mit zum Spiel um die Macht in Rom und die politische Zukunft - und zwar auf allen Seiten. Ein Rücktritt Prodis ohne Senatsvotum, das "wäre ein weniger traumatisches Ende und ließe dem Staatspräsidenten die Möglichkeit, andere Weg zu erkunden", hatte "La Repubblica" zuvor noch orakelt.

Berlusconi scharrt schon mit den Hufen

Andere Wege? Die sind nicht nach dem Geschmack des Mannes, der Morgenluft wittert, immer wieder baldige Neuwahlen will und mit dem Rückenwind der Umfragen zurück an die Macht: Oppositionsführer und Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi bläst bereits zum Sammeln. Ein solches Neuwahlszenario gefällt indessen Walter Veltroni nicht. Der führende neue Kopf des Mitte-Links-Lagers möchte erst das Wahlrecht reformieren, um das Italien der zersplitterten Parteienlandschaft regierbarer zu machen. Neuwahlen könnte es danach im Sommer geben.

Schachern und Sondieren: Während sein Bündnis vor einem "Alptraum mit offenen Augen" steht, wie der "Corriere della Sera" meinte, kam der erfahrene Regierungschef und frühere EU-Kommissionspräsident nur Stunden vor der angesetzten Senatsvotum von neuem im Quirinalpalast mit dem Staatspräsidenten zusammen. Immerhin galt es als durchaus denkbar, dass Giorgio Napolitano den vor dem Aus stehenden Prodi für eine Übergangszeit bis nach einer Wahlrechtsreform wieder ins Amt einsetzen könnte. Entweder also ein neuer Regierungsauftrag oder Neuwahlen, so soll Prodi ihm dann die Pistole auf die Brust gesetzt haben. Napolitano seinerseits hatte dem unglücklichen Regierungschef nahegelegt, das Handtuch zu werfen - ohne "Durchfallen" im Senat.

Doch "Il Professore", wie die Italiener Prodi gern nennen, wollte trotz des massiven Drucks von allen Seiten, nicht zuletzt aus den eigenen Reihen, seinen Weg bis zum bösen Ende gehen. Er stellte sich dem Senat und verlor. In der tiefen Krise überraschte die Italiener die Hartnäckigkeit dieses Mannes, den sie als eher onkelhaft kennen.

Hanns-Jochen Kaffsack[dpa]

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