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Seit Jahresbeginn sollen 732 Menschen bei ihrer Flucht vor Krieg, Gewalt und Elend im Mittelmeer ums Leben gekommen sein (Archivbild).

© dpa

Update

Italien spricht von Katastrophe: Hunderte tote Flüchtlinge bei Bootsunglück im Mittelmeer

Erneut sind im Mittelmeer hunderte Menschen auf dem Weg nach Italien ertrunken. Die Zahl der Bootsflüchtlinge hat sich derweil seit Jahresbeginn verdreifacht.

Im Mittelmeer hat es nach Angaben Italiens mehrere Hundert Tote bei einem Unglück mit einem Flüchtlingsboot gegeben. „Es ist sicher, dass wir es genau ein Jahr nach der Tragödie in libyschen Gewässern wieder mit einer Tragödie zu tun haben“, sagte der italienische Außenminister Paolo Gentiloni am Montag am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg. Die verunglückten Menschen waren demnach in Ägypten aufgebrochen. Konkrete Opferzahlen nannte er nicht. Man versuche, mehr Details und Informationen zu bekommen. Auch Italiens Präsident Sergio Mattarella sprach am Montag am Rande einer Rede in Rom von einer „weiteren Tragödie im Mittelmeer“. Er nannte dabei ebenfalls keine Einzelheiten.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte am Rande des EU-Außenministertreffens in Luxemburg, nach seinen Informationen seien bei dem Versuch einer Überfahrt von Flüchtlingen über 300 Menschen umgekommen.

Das Boot habe offenbar in Ägypten abgelegt. Die italienische Küstenwache hatte auf Anfrage zunächst erklärt, sie wisse von einem solchen Unglück nichts. Der britische TV-Sender BBC berichtete am Montag, dass die Opfer großenteils aus Somalia, Eritrea und Äthiopien stammen sollen.

Die Nachrichtenagentur Ansa berichtete am Montag zudem, dass italienische Rettungskräfte auf einem im Mittelmeer in Seenot geratenen Flüchtlingsboot sechs Leichen gefunden hätten. 108 weitere Migranten seien gerettet und von einem Schiff aufgenommen worden, nachdem sie zuvor einen Notruf abgesetzt hatten. Sie hätten den Rettern von den Toten auf ihrem Boot erzählt, die daraufhin ebenfalls an Bord geholt worden seien. Das Boot war unweit der libyschen Küste bei schwerem Wellengang in Seenot geraten. Die Migranten sollen nach Sizilien gebracht werden.

EU-Mittelmeereinsatz vor Ausweitung

Außenminister Steinmeier kündigte am Montag zudem an, dass der EU-Mittelmeereinsatz vor Libyen in absehbarer Zeit ausgeweitet werden soll. Es sei "keine Frage", dass "in Zukunft mehr notwendig" sein werde, sagte Steinmeier am Montag beim EU-Außenministertreffen in Luxemburg. Zunächst müssten aber die Optionen geprüft werden. Dazu solle die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montag einen Auftrag erhalten.

Die im vergangenen Sommer gestartete EU-Mission "Sophia" dient der Rettung von Flüchtlingen und soll gegen Schleuser im Mittelmeer vorgehen. Die beteiligten Streitkräfte dürfen auch Boote anhalten, durchsuchen und beschlagnahmen. Die Mission ist aber auf die Überwachung der Gewässer außerhalb des libyschen Hoheitsgebiets beschränkt. Das Mandat muss Ende Juni erneuert werden. Insbesondere Frankreich und Großbritannien dringen auf eine Ausweitung der Befugnisse.

732 Kamen seit Jahresbeginn ums Leben

Zu tödlichen Vorfälle kam es auf dem Mittelmeer in der Vergangenheit immer wieder. So sollen alleine seit Jahresbeginn 732 Menschen bei ihrer Flucht vor Krieg, Gewalt und Elend im Mittelmeer ums Leben gekommen sein, berichtete die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Freitag in Genf. Mindestens 352 Personen würden vermisst. Insgesamt kamen 2016 bisher über 177 000 Menschen mit Booten nach Europa. Das ist rund drei Mal so viel wie in den ersten vier Monaten 2015.

Die meisten Ankünfte mit über 150 000 gab es in Griechenland. Seit Beginn der Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens sank die Zahl der Ankommenden in Griechenland aber signifikant. Diese Woche kamen laut IOM alle Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten mit Booten ausschließlich nach Italien. Von einer generellen Verlagerung des Flüchtlingsandrangs seit Beginn des Abkommens könne aber noch nicht gesprochen werden. In Griechenland erreichten vorwiegend Syrer die Küste, während in Italien hauptsächlich Afrikaner ankamen. Nach griechischen Angaben erreichen in geringer Zahl weiter Migranten mit Booten aus der Türkei die griechischen Ägäis-Inseln. (dpa/ rtr)

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