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Grillo und ein Platz voller Anhänger - Mitte Februar in Bergamo

© AFP

Italien-Wahl: Gegen Merkel – aber wofür?

Nach dem uneindeutigen Ergebnis der Parlamentswahl, ist bisher eines doch deutlich geworden: Das antideutsche Lager ist in Italien in der Mehrheit. Auch in anderen EU-Ländern mehren sich die Vorbehalte. Europa könnte daraus lernen.

Die spinnen, die Römer – das sagt sich so leicht nach Wahltagen wie diesen. Drei etwa gleich große Lager, die einander auch noch spinnefeind sind, zwei davon halb- bis undemokratische Cliquen mit Egomanen an der Spitze, hier Berlusconi, dort Grillo. Und eine stabile Regierung in weiter Ferne. Das ist das Ergebnis der italienischen Parlamentswahl. Aber auch wenn es schwer wird, Reste von Rationalität im Durcheinander zu entdecken: Nehmen wir zur Abwechslung einmal an, dass Italiener im Schnitt nicht heftiger spinnen als Deutsche – hier ein Versuch.

Die Alternative, die sich den Italienerinnen und Italienern im politischen Establishment bot, war so klar nicht. Pier Luigi Bersanis „Demokratische Partei“, die größte im Mitte-links-Bündnis, hat jahrelang mehr als einmal der rechten Konkurrenz entweder nachgegeben oder sogar, Stichwort Wahlrecht, gemeinsame Sache mit ihr gemacht – und dies durchaus mehr zum eigenen Besten als zum Wohl Italiens. Monti, der hier als Inbegriff der Seriosität gilt, weil er so aussieht und politisch „deutsch“ handelt, hat die Durchschnittsitaliener ärmer gemacht, ohne dass sich der Sinn der neuen Opfer auch nur am Horizont ahnen ließ.

Und Beppe Grillo? Ein Schreihals, ein Kauz, ein Totalverweigerer, ja. Im Wahlkampf. Nun sollen ihn aber immerhin zwei Drittel seiner Anhänger nicht aus Wut, sondern in der Hoffnung gewählt haben, dass sich in ihrem Land etwas ändert. Die Möglichkeiten dazu wird Grillos „Fünf-Sterne-Bewegung“ womöglich rasch bekommen: Mitte-Links sagt zu Berlusconis Werben um eine große Koalition bisher klar Nein.

Vielleicht haben sie die Zeichen schon verstanden: Grillos programmatische Versatzstücke, Verfassungsreformen, der Erhalt öffentlicher Güter, grüne Projekte, sind eher links; sie mit ihm umzusetzen, und sei es mit wechselnden Mehrheiten, könnte auch die Basis der etablierten linken Mitte wieder verbreitern, ihr neue Glaubwürdigkeit schenken. Und Grillo selbst schwört schon nicht mehr Fundamentalopposition. Er sei zur Zusammenarbeit bereit, „Gesetz um Gesetz“.

Kritik an Merkel als Zeichen der Machtlosigkeit

Bleibt die Zerbrechlichkeit der „Grillini“, die soziale noch mehr als die ideologische. Glücksritter und Klientelpolitiker, die sich von einem ins andere Lager kaufen lassen, gehören fest zum Ensemble der italienischen Politik. Grillos rasch zusammengestellte Truppe, die der Überraschungserfolg ins nationale Parlament spült, dürfte für derlei Verluste – und Erpressungen – eher noch anfälliger sein.

Und Europa? Bisher, bemerkte ein kluger italienischer Kollege, sei nur eines klar nach dieser Wahl: Das Land habe erstmals eine antideutsche Mehrheit. „Gegen Merkel“, das war Grillos Parole, und auch Berlusconi hat diesem Schlachtruf einen beeindruckenden Endspurt zu verdanken. Wobei Deutschland eine Chiffre ist.

Am wirtschaftlich und politisch stärksten EU-Land macht sich eine größere Unzufriedenheit fest. Die Leute fühlen ihre Machtlosigkeit. Und nicht nur die kleinen Leute. Ein konservativer französischer Ex-Minister hat gerade ein Buch darüber geschrieben. Er erwarte den Tag, an dem Firmen und Pensionsfonds befehlten – und die Politik nur noch gehorche, wie eine Marionette. „Tage der Macht“ ist der ironische Buchtitel.

„Wer über gewisse Dinge den Verstand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren.“ Das hat kein Italiener, sondern der Deutsche Lessing geschrieben. Schauen wir also nicht auf die Verrückten im Süden herab. Schauen wir, wie wir Europas Demokratie retten können.

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