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Politik: Italien: Wenn die Richter Trauer tragen

Am letzten Samstag trugen viele Richter bei der traditionellen Eröffnung des so genannten Justizjahres Tiefschwarz. Innenminister Roberto Castelli scheint Fürchterliches geahnt zu haben, denn er rutschte auf seinem Sessel nervös hin und her.

Am letzten Samstag trugen viele Richter bei der traditionellen Eröffnung des so genannten Justizjahres Tiefschwarz. Innenminister Roberto Castelli scheint Fürchterliches geahnt zu haben, denn er rutschte auf seinem Sessel nervös hin und her. Wie Castelli später erfuhr, sollte die schwarze Arbeitsrobe den Protest der Richter gegen die von ihnen kritisierte Einmischung der Regierung in die unabhängige Justiz zum Ausdruck bringen.

Ein Protest, den der Mailänder Oberstaatsanwalt Borelli ganz klar aussprach. "Wir müssen stark bleiben", so der Oberstaatsanwalt, "gegen jeden Versuch, die Freiheit der Justiz einzuschränken". Auch wenn Borelli den Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und dessen Probleme mit der Justiz nicht beim Namen nannte, so war allen Anwesenden doch klar, dass er genau diesen meinte.

Innenminister Castelli wollte seinen Ohren nicht glauben. Als er im Anschluss an Borelli das Wort ergriff, verließen fast alle Richter den Saal. Der Spitzenpolitiker der Lega Nord sprach verblüfft vor leeren Sitzreihen. "So einen Skandal", meinte Castelli später, "hat es in Italien noch nicht gegeben". Er jedenfalls werde dafür sorgen, "dass der Oberstaatsanwalt die nötigen Konsequenzen aus diesem Verhalten ziehen wird". Schon ist die Rede von einer Klage gegen Borelli wegen der Verletzung seiner Dienstpflicht.

"Die Auseinandersetzung dieser Regierung mit der Justiz zeigt", schrieb am Sonntag in einem Kommentar Eugenio Scalfari, Gründer der Tageszeitung "la Repubblica", dass "wir Zeugen eines für eine Demokratie unwürdigen Spektakels sind, denn noch nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte hat eine Regierung so schamlos versucht, sich die Justiz gefügig zu machen".

Italiens Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi schweigt zum Streit der Richter und der Politiker. Von ihm erwarten sich beide Seiten ein Machtwort. "Ein Machtwort gegen eine Politik", so der prominente Philosoph und ehemalige Bürgermeister von Venedig Massimo Cacciari, "die die Trennung der Gewalten in diesem Land aufweichen könnte".

Obwohl sich Berlusconi am Montag in einem Interview mit der britischen Tageszeitung "The Times" als "Euro-Enthusiast" bezeichnete, hat man in der EU-Zentrale in Brüssel eher den gegenteiligen Eindruck gewonnen. Der italienische Ministerpräsident blockiert den weiteren Ausbau der Brüsseler Anti-Betrugseinheit "Olaf", die nach dem Rücktritt der alten EU-Kommission unter dem Luxemburger Jacques Santer ins Leben gerufen wurde. Seither haben die Ermittlungsverfahren von "Olaf" zu einer Klage der EU-Kommission gegen zwei US-Tabakkonzerne wegen Zigarettenschmuggels geführt. "Olaf" ermittelte auch gegen Subventionsbetrüger in Spanien oder Butter-Panscher in Italien. Unter zahlreichen Kandidaten wurde im vergangenen April der italienische Untersuchungsrichter Alberto Perduca zum Abteilungsleiter in der von dem Deutschen Franz-Hermann Brüner geleiteten Anti-Korrutions-Behörde ausgewählt. Aber Berlusconi und sein Innenminister Castelli verhindern, dass Perduca sein Amt in Brüssel antreten kann.

Behörden-Chef Brüner ist über diesen Vorgang "tief enttäuscht". Grund genug hat er: Berlusoni hat bislang nicht nur ein Veto gegen die Brüsseler Berufung eines weiteren italienischen Untersuchungsrichters eingelegt, sondern stellt auch die Arbeit des Korruptions-Ermittlers Nicola Piacente in Frage, der vom Internationalen Gerichtshof zu "Olaf" übergewechselt war.

Thomas Migge

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