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Politik: Ja mit Fußnoten

EU-Regierungschefs halten an Lissabon-Vertrag fest / Gipfel hebt Sanktionen gegen Kuba endgültig auf

Die Iren haben den EU-Reformvertrag von Lissabon abgelehnt – und trotzdem soll das Vertragswerk am Leben erhalten werden. Mit dieser Botschaft traten die Staats- und Regierungschefs der EU am Freitagnachmittag zum Abschluss des Brüsseler Gipfels vor die Öffentlichkeit. Unter ihnen war auch Tschechiens Regierungschef Mirek Topolanek, der in der Heimat mit Bedenken in seiner konservativ-liberalen Partei der Bürgerdemokraten (ODS) gegen den Lissabon-Vertrag zu kämpfen hat. Seit dem Nein der Iren fühlen sich die Vertragsgegner auch in anderen EU-Staaten bestätigt – darunter Tschechien, wo der Vertragstext vom Verfassungsgericht geprüft wird.

Mit Rücksicht auf die heikle Lage in Prag zeigte sich Topolanek beim EU-Gipfel als besonders harter Verhandler. Er setzte durch, dass in die Abschlusserklärung eine Fußnote eingefügt wurde, die dem tschechischen Verfassungsgerichtsvorbehalt Rechnung trägt. Tschechiens Außenminister Karel Schwarzenberg sagte in Brüssel, er rechne für den Herbst mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichts.

Dabei ist Tschechien nicht das einzige EU-Mitgliedsland, in dem die Ratifizierung noch aussteht. Auch in Belgien, Italien, den Niederlanden, Schweden, Spanien und Zypern ist das Verfahren noch nicht beendet. In Großbritannien kann die Prozedur ebenfalls vorerst noch nicht abgeschlossen werden. Der britische Premier Gordon Brown sagte am Freitag, dass er noch mit der Ratifizierung warten müsse, bis der Oberste Gerichtshof in London über die Klage eines Bürgers gegen den Vertrag entschieden hat.

Hinzu kommt natürlich Irland, wo das Nein zum Reformvertrag vor einer Woche die jüngste EU-Krise überhaupt erst auslöste. Damit der Lissabon-Vertrag in Kraft treten kann, braucht er die Zustimmung aller 27 EU-Mitglieder. In der Frage, wie es in Irland nach der Ablehnung der Reform weitergehen soll, hielt sich der irische Premier Brian Cowen in Brüssel bedeckt. „Es ist zu früh, zu sagen, welche Antwort nicht nur für Irland akzeptabel ist, sondern für Europa“, sagte er. Die Iren sollen nun beim EU-Treffen im Oktober Vorschläge machen.

Der Lissabon-Vertrag soll die Europäische Union demokratischer und effizienter machen. Tritt er nicht in Kraft, gilt der sogenannte Nizza-Vertrag weiter. Allerdings würde der Vertrag von Nizza unter anderem vorsehen, dass mindestens ein Mitgliedsland ab November 2009 auf seinen Brüsseler Kommissar verzichtet – es müsste also im kommenden Jahr entschieden werden, wie sich die neue Kommission zusammensetzt. Nach dem Lissabon-Vertrag, dem die Iren ihre Zustimmung verweigerten, steht die Verkleinerung der Brüsseler Behörde erst ab 2014 an.

Nach dem irischen Nein gibt es nun Streit über die künftige Erweiterungspolitik der Union. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, dessen Land im Juli für ein halbes Jahr den EU-Vorsitz übernimmt, erklärte, dass Paris einer Erweiterung der EU nicht zustimmen werde, wenn der Lissabon-Vertrag nicht in Kraft trete. Ähnlich äußerte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Insbesondere Kroatien, das schon im kommenden Jahr die EU-Beitrittsverhandlungen abschließen will, müsste einen Beitritt-Stop fürchten. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner nahm die Beitrittskandidaten in Schutz: „Die Erweiterungsverhandlungen werden weitergehen. Und ich bin mir sicher, dass man eine Lösung gefunden haben wird, bevor die Frage beantwortet wird, wann Kroatien beitritt.“

Vertagt wurde in Brüssel auch ein Streit zwischen Berlin und Paris über Entlastungen der Verbraucher angesichts der hohen Ölpreise. Sarkozy verlangt eine Deckelung der Mehrwertsteuer auf Heizöl und Sprit, während Merkel dies ablehnt. Die EU-Außenminister einigten sich unterdessen darauf, die Sanktionen der Europäischen Union gegen Kuba endgültig aufzuheben.

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