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Politik: Ja zur Türkei – aber die EU hält sich eine Absage offen Kommission befürwortet Gespräche über Beitritt und verlangt zugleich Grenzen für Zuwanderung

Trotz vieler Bedenken hat die Europäische Kommission am Mittwoch den Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorgeschlagen. „Wir sagen Ja, aber nur unter klaren Bedingungen“, erklärte der Präsident der EU-Kommission Romano Prodi am Mittwoch in Brüssel.

Trotz vieler Bedenken hat die Europäische Kommission am Mittwoch den Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorgeschlagen. „Wir sagen Ja, aber nur unter klaren Bedingungen“, erklärte der Präsident der EU-Kommission Romano Prodi am Mittwoch in Brüssel. Ankara habe auf dem Weg zur freiheitlichen Demokratie und zur Rechtsstaatlichkeit große Fortschritte gemacht. „Es bleibt aber noch viel zu tun“, schränkte Prodi ein. Die endgültige Entscheidung zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen werden die 25 Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Gipfeltreffen Mitte Dezember fällen.

Die Brüsseler Empfehlung zur Aufnahme von Verhandlungen fiel kritischer und mit mehr Einschränkungen aus als erwartet. „Wir wollten alle Bedenken und Ängste aufgreifen“, sagte EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen. Es gebe in der Türkei zwar keine „systematische“ Folter mehr. Es werde aber in Gefängnissen und Polizeistationen nach wie vor gefoltert und misshandelt, heißt es in einem Bericht der EU-Kommission zur Lage in der Türkei.

Die EU-Kommission kritisiert besonders, dass die Türkei nach wie vor weit davon entfernt sei, Religionsfreiheit zu gewähren. Nichtmuslimische Religionen werden nach wie vor diskriminiert. Nachteile müssen aber auch muslimische Minderheiten wie die Aleviten hinnehmen. Verheugen räumte am Mittwoch ein, der von Ankara beschlossene Rechtsrahmen entspreche inzwischen zwar den Anforderungen der EU, die Umsetzung der Gesetze in die Praxis jedoch noch nicht. Das neue Versammlungsrecht, das neue Strafrecht, die Berufungsrechte und die Gesetze zum Strafvollzug seien noch nicht in Kraft, heißt es. Brüssel schlägt den EU-Regierungschefs deshalb vor, erst dann grünes Licht für die Aufnahme von Verhandlungen zu geben, wenn die Türkei dies nachgeholt habe. Erst dann seien die politischen Kriterien für die Aufnahme von Verhandlungen „in ausreichendem Maße“ erfüllt. Die niederländische EU-Ratspräsidentschaft erklärte, ein Verhandlungsbeginn sei Mitte 2005 denkbar. Das Ergebnis der Gespräche mit der Türkei sei „offen“, heißt es in der Brüsseler Empfehlung. Damit behält sich die EU vor, Ankara den Beitritt doch noch zu verwehren, wenn Reformen nicht umgesetzt werden.

Eine Erweiterung der EU um die bevölkerungsreiche Türkei sei keine „Erweiterung wie die anderen“, sagte Romano Prodi. So schlägt die EU-Kommission lange Übergangsfristen und eine „permanente Sicherheitsklausel“ im Vertrag vor. Obgleich in der EU grundsätzlich Freizügigkeit herrscht, würde diese vertragliche Notbremse den EU-Staaten erlauben, die Grenzen dicht zu machen, wenn die Flut der Einwanderer aus der Türkei zu groß würde.

Als ausgewogen und positiv bezeichnete der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan die Empfehlung. „Wir werden tun, was von uns verlangt wird“, sagte Erdogan in Straßburg. Sein Land sträube sich aber gegen „Diskriminierungen“, sagte er in Anspielung auf die Warnung, die Verhandlungen könnten ausgesetzt werden, wenn in der Türkei gegen Freiheitsrechte verstoßen werde.

Bundeskanzler Gerhard Schröder will beim entscheidenden EU-Gipfel im Dezember für die Aufnahme von Verhandlungen stimmen. CDU-Chefin Angela Merkel kritisierte die Empfehlung, vermerkte aber positiv, dass das Verhandlungsergebnis offen sein soll.

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