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JVA in Leipzig, in der sich Jaber Albakr selbst tötete.

© AFP / Sebastian Willnow

Update

Jaber Albakrs Suizid in Haft: Familie des Terrorverdächtigen will Beamte anzeigen

Angehörige wollen überprüfen lassen, ob die Beamten ihn fahrlässig in seiner Zelle alleine ließen. Experten der Koalition fordern, bei Anti-Terror-Einsätzen nur die GSG 9 einzusetzen.

Die Familie des toten Terrorverdächtigen Jaber Albakr will einem Medienbericht zufolge eine Strafanzeige gegen Beamte der sächsischen Justiz wegen fahrlässiger Tötung erstatten. Alexander Hübner, der Leipziger Anwalt der Familie, sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Samstagsausgabe), dem NDR und dem WDR, es müsse geprüft werden, ob die Behörden fahrlässig handelten, als sie Albakr in einem gewöhnlichen Haftraum allein ließen.

Der syrische Flüchtling war bei einem Polizeieinsatz in Chemnitz am 8. Oktober knapp dem Zugriff der Beamten entkommen. In einer von ihm genutzten Wohnung wurden eineinhalb Kilogramm hochexplosiven Sprengstoffs gefunden. Mehrere Syrer, bei denen Albakr dann in Leipzig um einen Übernachtungsplatz bat, überwältigten und fesselten den 22-Jährigen. Am Mittwoch vergangener Woche erhängte sich Albakr, der mit der Dschihadistenmiliz "Islamischer" Staat (IS) in Verbindung gestanden haben soll, in der Justizvollzugsanstalt Leipzig.

"IS-Mitlgieder begehen keinen Selbstmord"

Der in Syrien lebende Bruder des Toten, Alaa Albakr, zweifelte seither an, dass es sich überhaupt um einen Suizid gehandelt habe. "Selbst wenn er IS-Mitglied war: Die begehen keinen Selbstmord", hatte er der Zeitung "Die Welt" gesagt. Das sei im Islam verboten. "Ich bin mir wirklich sicher, dass die Polizei ihn umgebracht hat."

Eine Fremdeinwirkung war bei der Obduktion des Leichnams nicht festgestellt worden. Hübner distanzierte sich gegenüber "SZ", NDR und WDR von den Vorwürfen von al-Bakrs Bruder. Die Umstände des Suizids müssten aber geprüft werden. Albakr soll an Steckdosen manipuliert und eine Lampe zerstört haben. Dennoch wollen die Verantwortlichen in der JVA Leipzig keine Suizidgefahr erkannt haben und ließen die Zelle nur alle 30 Minuten kontrollieren.

Die Leipziger Oberstaatsanwältin Claudia Laube führt bereits routinemäßig ein Ermittlungsverfahren zur Todesursache. Dem Bericht zufolge könnte sich die Familie Albakrs als Nebenklägerin in dieses Verfahren einschalten.

Polizei erkannte Sprengstoffexperimente nicht

Wegen der Pannen bei der Festnahme und des Suizids stehen die Behörden in Sachsen in der Kritik. Nach Informationen des "Spiegel" unterlief der sächsischen Polizei im Fall Albakr ein weiterer Fehler. Der mutmaßliche Islamist soll demnach bereits Ende August in einem Leipziger Apartmenthotel mit Chemikalien zur Sprengstoffherstellung experimentiert haben. Dabei habe er die Küche des Apartments schwer beschädigt. Fotos von den Schäden zeigten Rußspuren, braune Flecken wie von Flammen an der Abzugshaube und Spuren am Spülbecken wie von Säureschäden.

Der Besitzer des Hotels habe nach Albakrs Verschwinden Anzeige erstattet, berichtet der "Spiegel". Allerdings habe die Polizei den Vorfall als Sachbeschädigung gewertet, ohne die Brisanz der Spuren zu erkennen. Schäden in Höhe von gut 6.000 Euro seien entstanden.

Nach den Pannen bei der Festnahme des Terrorverdächtigen fordern Innenpolitiker der großen Koalition, bei ähnlichen Zugriffen künftig grundsätzlich ein Spezialkommando der GSG 9 einzusetzen. "Versäumnisse, wie sie in Sachsen zutage traten, sind lebensgefährlich und dürfen sich nicht wiederholen", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, dem "Spiegel". Notfalls müsse die GSG 9 dafür vergrößert werden. Der CDU-Innenexperte Armin Schuster forderte, die Bundesanwaltschaft müsse bei derartigen Terrorgefahren "früher Flagge zeigen als bisher". Damit wären im Regelfall das Bundeskriminalamt und die GSG 9 eingeschaltet. "Man hätte hier klotzen müssen, nicht kleckern", sagte Schuster dem Nachrichtenmagazin. Die GSG 9 (Grenzschutzgruppe 9) ist die Antiterroreinheit der Bundespolizei. (Tsp, AFP)

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