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Politik: Janukowitsch spielt auf Zeit

Keine Entscheidung über Rückkehr zur Verfassung.

Kiew - Eigentlich sollte das Parlament heute über die Rückkehr zur alten Verfassung von 2004 beraten. Doch stattdessen wurde taktiert. Nach einem kurzen, aber heftigen Schlagabtausch verhängte Parlamentssprecher Wolodymir Rybak eine Pause bis 16 Uhr. Während die Redner der Opposition schäumten, ließ der Präsident durch seinen Rechtsberater Andreij Portnow via Interview erklären, dass die Staatsführung es für aussichtslos halte, die Verfassung durch einen Parlamentsbeschluss wieder einzuführen.

Allen Rednern der Opposition war anzumerken, dass ihre Geduld zu Ende geht. Janukowitsch müsse jetzt handeln und die politische Krise im Land beilegen. Er sei die einzige Person, die in der Ukraine Entscheidungen treffen könne, aber offenbar wolle er nicht. Boxweltmeister Witali Klitschko trat am Ende der kurzen Aussprache genervt vor die Medien. Sein Versuch, direkt mit Janukowitsch zu verhandeln, scheiterte. Klitschko war in der Parlamentspause mit einem Tross Medien im Schlepptau zum Amtssitz des Präsidenten in die Bankowa-Straße, nur wenige Meter vom Parlament entfernt, gezogen. Doch Janukowitsch ließ ihn abblitzen. Seine Beraterin Anna Hermann verkündete, Viktor Janukowitsch werde zuerst nach Russland fahren, um am kommenden Freitag Präsident Wladimir Putin in Sotschi zu treffen. Vorher sei mit Antworten auf die Verfassungsfrage nicht zu rechnen.

Und auch die EU wird wohl so schnell keinen „Marschall-Plan“ für die Ukraine realisieren. Eine westliche Diplomatin sagte, die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton werde in Kiew keine konkreten Pläne unterbreiten. Ashton wurde am Dienstagabend in der ukrainischen Hauptstadt erwartet. Am Wochenende sickerte durch, dass der Westen ein groß angelegtes Hilfepaket für die Ukraine schnüre. Nun sieht es so aus, als wolle die EU erst einmal abwarten, wie die neue Regierung in Kiew aussieht. Pessimisten sprechen davon, dass es vor März 2015, dem Datum der Präsidentschaftswahlen, keine Lösung in der Ukraine geben wird.

Das könnte in großen Teilen der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition zu Unmut führen. Für regelrechten Frust sorgte die Äußerung der deutschen EU-Abgeordneten Rebecca Harms. Sie hatte in ihrer Rede vor dem Parlament in Straßburg am Dienstag bekannt gegeben, dass weite Teile der ukrainischen Führung Pässe von EU-Ländern besäßen. Einreiseverbote seien somit nutzlos. Unter anderem sollen der in der vergangenen Woche zurückgetretene Ministerpräsident Nikolai Asarow und die Vertrauten von Präsident Janukowitisch, die Parlamentarier und Großunternehmer Sergej und Andreij Klujew, sowie Sergej Arbusow, der das Amt der Ministerpräsidenten derzeit kommissarisch leitet, seit mehreren Jahren österreichische Pässe besitzen. Nina Jeglinski

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