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Japans Premierminister Shinzo Abe wird in seiner Rede am Freitag auch das Wort "Entschuldigung" sagen.

© Joshikazu Tsuno/ AFP

Japanische Kriegsschuld: Shinzo Abe wird sich entschuldigen

Lange war darüber spekuliert worden, was der für seinen Nationalismus berüchtigte japanische Premier zum 70. Jahrestag der Kapitulation sagen wird. Nun plant Shinzo Abe, sich wohl doch eher moderat zur Rolle Japans im Zweiten Weltkrieg äußern. Doch seine Kritiker werfen ihm trotzdem mangelnden Pazifismus vor.

„Entschuldigung“ und „Aggression“, diese beiden Worte werden wohl fallen. Beruhigend wirkt, was am Dienstag über japanische Nachrichtenagenturen verlautete. Zum 70. Jahrestag der japanischen Kapitulation, die am 15. August 1945 den Zweiten Weltkrieg beendete, wird Shinzo Abe sein Land zur eigenen Kriegsvergangenheit positionieren. Und seit Monaten wurde spekuliert, was der als Nationalist berüchtigte japanische Premierminister dann wohl sagen wird. Immerhin hatten seine Vorgänger, die zum 50. und 60. Jahrestag im Amt waren, befriedende Statements geliefert: Sie drückten Japans Bedauern über die sonst oft beschönigte Vergangenheit aus. Und jetzt, zum 70., ist Abe an der Reihe. Kann das gut gehen? Er hatte sich über Japans Rolle im Zweiten Weltkrieg bisher meist verharmlosend geäußert, sodass Kritiker befürchteten, dass er Öl ins Feuer gießen könnte. Viele asiatische Länder beklagen bis heute, Japan habe sich nie kritisch mit seiner eigenen Geschichte auseinandergesetzt.

China und Südkorea sehen Japan weiterhin kritisch

„Aggression“ ist eine abstrakte Beschreibung dessen, was der damalige Verbündete Nazideutschland seinen Nachbarn antat. Das Wort „Entschuldigung“ soll den Übergang zu einer diplomatischen Konsolidierung ermöglichen. So könnte die Rede bei den einst gepeinigten Ländern Asiens, vor allem China und Südkorea, vergleichsweise gut ankommen. Nach einem diplomatischen Rückschritt sieht es anhand dieser zwei Schlüsselwörter zumindest nicht aus. Trotzdem wird deutlich, dass Shinzo Abe nicht allzu viel auf ein Verzeihen durch die Nachbarn zu zählen scheint. Eher dürfte der Enkel eines verurteilten Kriegsverbrechers zementieren, was er seit Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren verkörpert: 70 Jahre nach dem Kriegsende tritt Japan wieder mit breiter Brust auf. So soll der Begriff „Aggression“ in Abes Stellungnahme etwa nicht eine Selbstanklage für all die Brutalitäten bedeuten, die die japanische Armee auf ihrem Expansionszug ab den frühen 1930er Jahren in anderen Ländern beging. Er wolle eine friedliche Mahnung an die ganze Welt aussprechen. Abe werde sich „zukunftsorientiert“ geben, wie er mehrmals ankündigte. Kritiker aber, insbesondere in China und Südkorea, deuteten die häufig allgemein gehaltenen Erklärungen Japans bisher gern als aktives Vergessen. Eine Verpflichtung zum Frieden müsse dagegen beim eigenen Verhalten beginnen.

Auf dem Weg zur Atommacht

Wie pazifistisch Japan tatsächlich ist, darüber wird seit Langem gestritten. In Nagasaki, wo erst in der vergangenen Woche an den 70. Jahrestag der Atombombe über der Stadt erinnert wurde, auf die kurz später Japans Kapitulation folgte, sind viele Experten von ihrer Regierung enttäuscht. „Japan ist das einzige Land, das kriegerisch von Atombomben getroffen wurde. Keine Regierung könnte mit dieser Erfahrung glaubwürdiger für Friedenspolitik eintreten als die japanische“, sagt Keiko Nakamura, Professorin am Research Center for Nuclear Weapons Abolition. „Aber sie setzt sich nur halbherzig bis gar nicht gegen nukleare Abrüstung ein.“

Tausende Menschen trauerten am 9. August um die Opfer von Nagasaki. EPA/KIMIMASA MAYAMA +++(c) dpa - Bildfunk+++
Tausende Menschen trauerten am 9. August um die Opfer von Nagasaki. EPA/KIMIMASA MAYAMA +++(c) dpa - Bildfunk+++

© Kimimasa Mayama/ dpa

So sprach Shinzo Abe in seiner Rede zum 70. Jahrestag der Atombombenexplosion über Hiroshima am 6. August, drei Tage vor jener über Nagasaki, zwar vom Streben nach einer Welt ohne Atomwaffen. Aber die sogenannten drei nicht nuklearen Grundsätze des Landes, nach denen Japan keine Atomwaffen besitzen oder produzieren werde und auch keine ausländischen Waffen auf eigenem Territorium toleriere, erwähnte Abe in diesem Jahr nicht. „Das politische Klima hat sich geändert“, sagt Nakamura. „Heute sagen Regierungspolitiker offen, dass Japan zumindest grundsätzlich in der Lage sein sollte, Atomwaffen zu produzieren. Früher wäre so etwas ein Skandal gewesen.“
Durch die Atomkraftwerke im Land wird jedenfalls so viel Plutonium produziert, dass Japan binnen ein bis zwei Jahren Atomwaffen herstellen könnte. Das schätzt Robert Jacobs, Professor am Hiroshima Peace Institute. „Seit Shinzo Abe im Amt ist, wird allgemein kräftig aufgerüstet“, sagt Jacobs. „Jeder Schritt der Regierung führt im Prinzip dahin, schließlich eine Atommacht zu werden.“ Gegenüber der Bevölkerung, die Aufrüstung und Konfrontation skeptisch sieht, möge dies zwar nicht leicht zu kommunizieren sein, allerdings sei die Entwicklung von Atomwaffen bisher in keinem Land Gegenstand demokratischer Debatten gewesen.

Vor dem Hintergrund der Aufrüstung besorgte zuletzt auch Abes Entschlossenheit, die von den USA oktroyierte pazifistische Nachkriegsverfassung neu auszulegen. Nicht nur zur humanitären Hilfe oder für Peacekeepingoperationen soll Japans Militär künftig auf Auslandseinsätze gehen können, sondern auch, um Verbündeten zu helfen und das „Überleben der Nation“ zu sichern. Von vielen Seiten wurde dies als Zeichen wachsenden Nationalismus interpretiert. Da der Schritt allerdings im Einvernehmen mit den USA vorgenommen wurde, wird Japan in dieser Sache wohl zumindest keine Alleingänge machen. Aus wirtschaftspolitischer Sicht könnte diese Militarisierung zudem positive Auswirkungen haben, glauben einige Experten. Nobuo Tanaka, bis 2011 Chef der Internationalen Energieagentur in Paris und heute Präsident der hochdotierten Sasakawa Peace Foundation in Tokio, sieht auch eine Chance zur Integration: „Japan, China und Südkorea hängen alle in hohem Ausmaß von Energieimporten aus dem Mittleren Osten ab. Wenn diese drei Länder kooperierten, wäre allen geholfen – und man würde erkennen, dass man gemeinsame Interessen hat.“

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