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Jean-Claude Juncker soll EVP in die Europawahl führen: Das konservative Gesicht Europas

Jean-Claude Juncker soll für die Europäische Volkspartei gegen den Sozialdemokraten Martin Schulz antreten. Wer wird an die Spitze der EU-Kommission rücken?

Am Ende war es viel knapper, als viele gedacht hatten. Der frühere Luxemburger Premierminister Jean-Claude Juncker war als Kandidat seiner Heimatpartei, der deutschen CDU und der griechischen Nea Demokratia ins Rennen um die Spitzenkandidatur der Europäischen Volkspartei geschickt worden – und seine Wahl galt als ausgemachte Sache. Doch sein Gegenkandidat, EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier aus Frankreich, der von der französischen UMP, Ungarns Regierungspartei Fidesz und den slowenischen Christdemokraten nominiert worden war, wollte partout nicht zurückziehen. Und mehr noch: Barnier kämpfte so engagiert, verschickte so viele SMS an einflussreiche Konservative, die in der Nacht noch die Seiten wechselten, dass es der 63-Jährige aus Albertville fast geschafft hätte. Am Ende stimmten 382 Delegierte und damit 60 Prozent für den Mann, der Ende dieses Jahres seinen 60. Geburtstag feiern wird. Für Barnier votierten 245 Delegierte.

Wie präsentierte sich Juncker in Dublin?

Während Barnier auch mit der besseren und mehr Applaus bedachten Bewerbungsrede aufgewartet hatte, enttäuschte Juncker auch viele der eigenen Anhänger im Konferenzzentrum von Dublin. „Er ist der Einzige, der auch in Deutschland unsere Sache kommunizieren kann“, gab sich der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese auch weiterhin überzeugt, „aber im Wahlkampf muss er ein bisschen emotionaler auftreten.“ Und auch der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger hätte sich „ein wenig mehr Ehrgeiz und Elan“ bei Junckers Auftritt gewünscht.

Der Luxemburger präsentierte sich als „wahrer Europäer“, der seine Erfahrung als langjähriger Regierungschef des Großherzogtums und Präsident der Eurogruppe während der ärgsten Jahre der Währungskrise als größtes Pfund einbrachte. Thematisch versuchte er allen Strömungen in der Partei gerecht zu werden. Auf Deutsch sagte er, dass das Aufhäufen von Schulden die Krise so tief gemacht habe, gleichzeitig wolle er den Kampf gegen die Spekulanten auf den Finanzmärkten verstärken, das Primat der Politik wiederherstellen und die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Als künftiger Chef der EU-Kommission wolle er, Juncker, auch dafür sorgen, dass sich die Brüsseler Behörde nur noch um die wirklich wichtigen Dinge kümmere: „Zu viel Europa im Kleinen tötet Europa im Großen.“ Voraussetzung dafür sei, die Spaltung des Kontinents in den reichen Norden und armen Süden zu beenden. Dafür wolle er in Brüssel „Konsensmaschine“ sein.

Und Juncker erzählte von der persönlichen Prägung in Sachen Frieden und sozialer Gerechtigkeit durch seinen Vater, der als junger Mann von der Wehrmacht zwangsrekrutiert wurde und später als Werkspolizist in einer Luxemburger Stahlhütte arbeitete. „Wir dürfen die Sozialpolitik nicht den Sozialisten überlassen“, forderte Juncker – eine klare Kampfansage an den deutschen SPD-Mann Martin Schulz, der von sofort an sein sozialdemokratischer Gegenkandidat bei der Europawahl ist.

Welche Chancen hat Juncker gegen den Sozialdemokraten Martin Schulz?

In den Umfragen liegen Europas Sozialdemokraten leicht vorn. Dementsprechend wissen die Christdemokraten wissen, dass es schwer wird. So räumte Juncker ein, dass die Konservativen in Bezug auf den Wahlkampf „ein wenig im Rückstand gegenüber den Sozialisten“ lägen, bei denen Schulz schon seit Herbst als Kandidat feststeht. Antonio Lopez-Isturiz, Generalsekretär der Europäischen Volkspartei, gab gleich einen Vorgeschmack darauf, wie die Christdemokraten gegen Schulz, den ehemaligen Bürgermeister aus Würselen und heutigen Präsidenten des Europaparlaments, vorzugehen gedenken: „Wir können uns gerade in diesen Zeiten nicht leisten, dass jemand ohne oder mit wenig Regierungserfahrung Präsident der EU-Kommission wird.“

Wird einer von beiden Kommissionspräsident werden?

Bei den Konservativen herrscht immer noch Uneinigkeit, was die Spitzenkandidatur bedeutet. Zwar sagte Juncker: „Ich will der nächste Präsident der EU-Kommission werden.“ Aber hinter vorgehaltener Hand wurde auch in Dublin geraunt, der Luxemburger würde beim großen Postengeschacher nach der Europawahl Ende Mai eher das Amt des ständigen EU-Ratspräsidenten anstreben. Unklar bleibt nämlich, ob die Staats- und Regierungschefs, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Kandidaten der Partei mit den meisten Stimmen auch zum Kommissionschef bestimmen. In den EU-Verträgen, die bei der Wahl erstmals zur Anwendung kommen, heißt es, Merkel & Co. müssten diese Personalentscheidung „unter Berücksichtigung“ des Wahlergebnisses und der daraus folgenden Mehrheitsverhältnisse und Koalitionskonstellationen im Europaparlament treffen. Eine Verpflichtung, den Wählerwillen zu übernehmen, gibt es demnach nicht.

In den deutschen Unionsparteien gibt es verschiedene Ansichten dazu, ob es nicht eine moralische Verpflichtung dazu gibt, wenn in den nächsten zweieinhalb Monaten nun das Duell Juncker gegen Schulz dem Publikum als echte Möglichkeit der demokratischen Einflussnahme auf den Brüsseler Topposten präsentiert wird. „Alles andere wäre Wahlbetrug“, sagte der Europaabgeordnete Liese: „Wenn Schulz bei der Wahl vorn liegt, wird er es.“ Und EVP-Präsident Joseph Daul aus dem Elsass sagte: „Wenn wir die Wahl gewinnen, wird unser Kandidat Kommissionspräsident.“ An diesem Automatismus kommt auch nach Ansicht von Kommissar Oettinger „keiner mehr vorbei – außer es gibt ein Patt“. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber sieht das ähnlich: „Wer einen Sitz mehr hat, kann nicht automatisch Anspruch auf das Amt des Kommissionspräsidenten erheben.“

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