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© dpa

Jeder Fünfte von Armut betroffen: Deutschlands ungute Quote

In Deutschland ist jeder Fünfte von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Wenn die Politik daran nichts ändert, wird auch der Frust weiter wachsen. Abstiegsangst ist gefährlich für die Gesellschaft. Ein Kommentar.

Es wird einfach nicht besser. Im vergangenen Jahr galten in Deutschland 16,2 Millionen Menschen als arm oder sozial ausgegrenzt, das hat das Statistische Bundesamt am Dienstag bekannt gegeben. Der Anteil
war mit 20,3 Prozent demnach sogar etwas höher als im Vorjahr (19,6 Prozent) und blieb damit seit 2008 (20,1 Prozent) etwa konstant.

An dieser Stelle liegt es nahe, zu relativieren. In der gesamten Europäischen Union war der Anteil armer oder sozial ausgegrenzter Menschen mit 24,5 Prozent deutlich höher als in Deutschland. Außerdem ist Armut bei uns nicht dieselbe existenzielle Armut wie in Entwicklungsländern, auch das ist klar. Trotzdem: Auch wenn Armut in Deutschland nicht gleich Hunger bedeutet, steht sie doch für ein chancenarmes Leben.

Die deutschen Statistiken, die auf der Erhebung "Leben in Europa" 2013 basieren, setzen sich aus den Prozentanteilen der armutsgefährdeten Bevölkerung (16,1 Prozent), der von erheblicher materieller Entbehrung betroffenen Bevölkerung (5,4 Prozent) und der Bevölkerung in Haushalten mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung (9,9 Prozent) zusammen. Als arm oder sozial ausgegrenzt gilt per Definition eine Person dann, wenn eines oder mehrere der drei genannten Kriterien auf sie zutreffen.

Was hinter diesen Zahlen steckt? Kinder, die nicht mit auf Klassenfahrt fahren können. Erwachsene, die drei Jobs gleichzeitig haben und ihre Miete trotzdem nicht bezahlen können. Und Alte, deren Rente zwar zum Überleben aber lange nicht mehr zum Leben reicht. Deutschland gilt immer noch als Hochlohnland. Trotzdem werden auch hier seit Jahren Tarifverträge aufgelöst, junge Menschen in unbezahlten Praktika beschäftigt und Arbeiter mit Leih- oder Werkverträgen um sichere Beschäftigungsbedingungen gebracht. Die Politik bemüht sich - der Mindestlohn, neue Vorschriften für Leihverträge, die Änderungen zu Praktika ab 2017 - doch das ist immer noch zu wenig. Nichts ist so gefährlich für eine Gesellschaft wie die Angst vor dem Abstieg. Wer ein Fünftel der Menschen in Armut leben und den Rest fürchten lässt, es könnte ihm bald genauso gehen, der schafft eine Atmosphäre voller Misstrauen und Frust. Die kann Menschen auch anfällig für einfache Parolen machen. Einige treibt auch dieser Frust auf die Straßen von Dresden.

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