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Politik: Jetzt dürfen sie rübermachen

Türkisch-Zypern hebt überraschend das Reiseverbot in den griechischen Süden der Insel auf – weil die Bürger murren

Stacheldraht, Mauern, Reiseverbot: Die Grenze zwischen dem türkischen und dem griechischen Teil Zyperns ist seit fast 30 Jahren eine der undurchdringlichsten der Welt. Doch nun soll sich alles ändern. Die Regierung im türkischen Inselsektor erlaubt ihren Bürgern zum ersten Mal, den griechischen Südteil der Insel für Tagesausflüge zu besuchen. Auch dürfen griechische Zyprer erstmals seit der Teilung der Insel 1974 in den Norden kommen. Mit der überraschenden Grenzöffnung und der Reisefreiheit reagiert der türkisch-zyprische Volksgruppenführer Rauf Denktasch auf den wachsenden Unmut seiner Bürger. Denktaschs „Staat“ könnte es schon bald so ergehen wie der DDR.

Die Genehmigung zum „Rübermachen“ wurde von Denktaschs Sohn Serdar bekannt gegeben, der in der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ (KKTC) stellvertretender Ministerpräsident ist. Die große Freiheit beginnt am kommenden Montag. Dann können die türkischen Zyprer von drei Übergangsstellen aus in den Süden reisen; bis Mitternacht desselben Tages müssen sie zurück sein. An denselben Grenzpunkten dürfen auch griechische Zyprer nach Norden reisen.

Die Bewohner des Denktasch-Reiches im nördlichen Drittel Zyperns gehören zu den ärmsten Europäern überhaupt. Auf gerade einmal 2500 Euro im Jahr beläuft sich ihr durchschnittliches Jahreseinkommen – ihre Vettern im griechischen Süden sind zehnmal reicher und werden in der EU zu den Netto-Zahlern gehören. Kein Wunder, dass viele Türken neidisch über den Zaun blicken. Als die griechische Inselrepublik in der vergangenen Woche den Beitrittsvertrag zur EU für Zypern unterschrieb, machte sich jenseits der Grenze Mutlosigkeit breit, weil viele Bewohner des türkischen Sektors befürchteten, den Zug in die Europäische Union nun endgültig verpasst zu haben. Doch plötzlich ist alles anders. Die Reisefreiheit und ebenfalls geplante Handelserleichterungen zwischen den beiden Inselteilen sind die größten Fortschritte im Friedensprozess seit der Teilung Zyperns im Jahr 1974 – obwohl es zurzeit streng genommen keinen Friedensprozess mehr gibt: Die Verhandlungen von Türken und Griechen waren im März gescheitert. Nun haben Griechen und Türken auf der Insel die Chance, die Zukunft ihrer Insel persönlich miteinander zu besprechen.

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