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Politik: Jetzt geht es um Scharons Zukunft

Nach der Räumung des Gazastreifens wächst der Druck vom Koalitionspartner und aus der eigenen Partei

Es war der letzte noch ausstehende Beschluss: Am Sonntag hat die israelische Regierung einem Abkommen mit Ägypten über die Übergabe des so genannten Philadelphi-Grenzstreifens zugestimmt. Damit wird der israelische Truppenabzug aus dem Gazastreifen vollständig; die Verantwortung für die Sicherheit entlang der palästinensisch-ägyptischen Grenze geht an 750 ägyptische Grenzwächter.

Mit 18:2 Stimmen, und somit deutlicher als erwartet, hat das Kabinett den Schlussstrich unter die Räumung des Gazastreifens durch Siedler und Soldaten gezogen. Der nur einige Dutzend Meter schmale Philadelphi-Sicherheitsstreifen – eine Patrouillenstraße der israelischen Armee mit einer etwa acht Meter hohen Betonwand auf der palästinensischen Seite und einem Hochsicherheits- und Stacheldrahtzaun auf der ägyptischen – trennt den Gazastreifen an seinem südlichen Ende vom Sinai, und insbesondere die Stadt Rafah. Die ägyptischen Grenzwächter sollen vor allem den Waffenschmuggel unterbinden, der vorzugsweise durch primitive Tunnels verläuft.

Die Regierung revidierte am Sonntag zudem einen früheren Beschluss. Nun sollen doch alle 20 nicht-provisorischen Synagogen in den bereits größtenteils zerstörten Siedlungen im Gazastreifen nicht ebenfalls zerstört, sondern zerlegt oder ganz nach Israel überführt werden.

Zwar diskutierte das Kabinett auch den missglückten Selbstmordanschlag in Beer Sheva, der am Sonntag kurz vor Sitzungsbeginn verübt worden war, doch wurden anscheinend keine operativen Beschlüsse gefasst. Der vermutlich aus dem Westjordanland stammende Attentäter – uu dem Selbstmordanschlag bekannte sich die Gruppe Islamischer Dschihad – war einem Busfahrer bei der zentralen Busstation verdächtig vorgekommen, worauf dieser den Sicherheitsdienst alarmierte. Zwei Sicherheitsbeamte jagten daraufhin den mutmaßlichen Terroristen, der sich in ihrer unmittelbaren Nähe in die Luft sprengte. Dabei verletzte er die beiden Verfolger schwer, zehn weitere Personen wurden meist leicht verletzt, während rund 50 weitere einen Schock erlitten.

Die gesamte palästinensische Führung verurteilte in unüblicher Eile den Anschlag in schärfsten Worten. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bezeichnete diesen ausdrücklich als Terrorattacke und forderte alle Seiten auf, den vereinbarten Waffenstillstand einzuhalten. Gleichzeitig verkündete Abbas den 25.Januar als Wahltermin für den Palästinensischen Legislativrat PLC.

Mit zwei weiteren, sehr delikaten Räumungen wird ab Sonntag der zivile Teil von Scharons „Einseitigem Loslösungsplan“ abgeschlossen. Der Friedhof des von Siedlern bereits geräumten Gush Katif-Siedlungsblockes wird aufgelöst. Außerdem soll auch das bisher unter israelischer Kontrolle stehende so genannte Kollaborateurs-Dorf Dahaniyeh beim Flughafen Gaza aufgelöst werden.

Nach den Räumungen ist nun die erwartete harte Diskussion über die Zukunft der Regierung und Ministerpräsident Ariel Scharons ausgebrochen. In der mitregierenden Arbeitspartei fordern prominente Politiker die Einhaltung des Versprechens, man werde sofort nach Abschluss des Truppenabzuges die Regierung verlassen, während andere erst noch abwarten wollen, ob Scharon nun mit der Räumung der illegalen Siedlungs-Außenposten im Westjordanland beginnt.

Der Druck auf Scharon in seiner eigenen Partei hat über das Wochenende bisher noch nie gekannte Ausmaße erreicht. Sein in den parteiinternen Umfragen deutlich vor ihm liegender Konkurrent Benjamin Netanjahu, drängt mit aller Macht auf schnellstmögliche Primaries für das Amt des Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten, sowie auf vorzeitige Neuwahlen für die Knesset. Scharon sieht sich in seinen Überlegungen, angesichts der sich abzeichnenden Niederlage im Machtkampf gegen Netanjahu aus dem Likud auszutreten und mit einer eigenen Liste in die Knessetwahlen zu ziehen, allerdings von den meisten seiner wichtigen Gefolgsleute allein gelassen. Unterdessen hat die israelische Staatsanwaltschaft Anklage wegen Korruption gegen den ältesten Scharon-Sohn erhoben. Omri Scharon wird illegaler Wahlkampffinanzierung zu Gunsten seines Vaters verdächtigt.

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