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Politik: Jetzt wollen Politiker Spitzensteuersatz nicht mehr senken Wegen Hartz IV: Böhmer (CDU) und Gabriel (SPD) planen nun stärkere Belastung für Gutverdienende

Berlin - Führende Politiker von SPD und Union fordern angesichts der Einschnitte für Langzeitarbeitslose bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV, den Spitzensteuersatz nicht wie geplant zum Januar 2005 zu senken. Niedersachsens SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel nannte es „geradezu obszön“, die Steuersenkung jetzt umzusetzen.

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Berlin - Führende Politiker von SPD und Union fordern angesichts der Einschnitte für Langzeitarbeitslose bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV, den Spitzensteuersatz nicht wie geplant zum Januar 2005 zu senken. Niedersachsens SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel nannte es „geradezu obszön“, die Steuersenkung jetzt umzusetzen. Unterstützt wurde er von der Vizevorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Margret Mönig-Raane, und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer. Böhmer kündigte an, eine entsprechende Initiative im Bundesrat zu unterstützen. Das Bundesfinanzministerium wies die Forderungen zurück: Das Steuersenkungspaket werde nicht mehr aufgeschnürt.

Auch der ehemalige SPD-Chef Oskar Lafontaine ist für eine grundsätzliche Steuerdebatte. Ohne auf den Vorschlag Gabriels direkt einzugehen, sagte er dem Tagesspiegel: „Vor allem muss die Frage nach der Umverteilung von unten nach oben beantwortet werden. Wie viele Milliarden Steuernachlass erhielten die Unternehmen und Bezieher hoher Einkommen durch die Steuerreform 2000, die Senkung des Spitzensteuersatzes und die verweigerte Wiedereinführung der von vielen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten geforderten privaten Vermögensteuer? Und wie viele Milliarden hat man den Rentnern, Patienten, Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen bei allen Reformen unter Einschluss von Hartz IV weggenommen?“ Würden diese Fragen wahrheitsgemäß beantwortet, könne niemand mehr die bisherige Politik rechtfertigen. Auf die Aufforderung von SPD-Chef Franz Müntefering, der Konflikt zwischen der SPD und ihrem ehemaligen Vorsitzenden müsse jetzt offen ausgetragen werden, sagte Lafontaine: „Nichts ist mir willkommener als eine Sachauseinandersetzung. Voraussetzung ist eine schonungslose Bestandsaufnahme.“ Lafontaine hatte unter anderem den Rücktritt von Gerhard Schröder gefordert. Der Kanzler kündigte aber im ZDF an, er habe die feste Absicht, 2006 wieder zu kandidieren. Er rechne dabei auch mit der Unterstützung der SPD: „Ich sehe niemanden in der SPD, der ernst zu nehmen ist, der wirklich einen Wechsel im Amt des Kanzlers will.“

DGB-Chef Michael Sommer hielt PDS und Union vor, im Streit um die Reformen widersprüchlich zu argumentieren. „Jetzt wo es konkret wird, geben viele politische Mandarine ein ganz trauriges Bild ab“, sagte Sommer dem Tagesspiegel. Er verwies etwa auf Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), der nun rufe, es werde zu wenig gefördert und zu viel gefordert. Milbradt sei daran erinnert, dass es gerade die Union gewesen sei, „die die rot-grüne Agenda 2010 vergiftet hat“. So seien etwa die Zumutbarkeitsregeln, die die Aufnahme einer Arbeit „bis hin zur Grenze der sittenwidrigen Bezahlung zum Zwang erheben“, eine Erfindung von Union und FDP.

An diesem Montag sollen in mindestens 90 Städten Demonstrationen gegen Hartz IV stattfinden, erstmals auch in Berlin. Milbradt sagte beim Wahlkampfauftakt seiner Partei, er werde sich an den Montagsdemonstrationen nicht beteiligen, forderte aber erneut Nachbesserungen. Die von Sachsen geforderte Verschiebung von Hartz IV lehnten zahlreiche Bundesländer ab.

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