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Darf sich Joachim Gauck als Bundespräsident parteikritisch äußern?

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Update

Joachim Gauck äußert Bedenken gegen Ramelow: Sellering fürchtet Schaden für das Amt des Bundespräsidenten

Joachim Gauck hat sich kritisch zu der wahrscheinlichen Wahl des Linken Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten in Thüringen geäußert. Jetzt bekommt der Bundespräsident heftigen Gegenwind.

Bundespräsident Joachim Gauck hat Bedenken gegen eine mögliche rot-rot-grüne Koalition unter Führung eines linken Ministerpräsidenten in Thüringen geäußert. Die Wahlentscheidung sei zu respektieren, sagte Gauck in einem Interview für die ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Dennoch bleibe die Frage: „Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?“ Es gebe Teile in der Linkspartei, bei denen er wie viele andere auch Probleme habe, dieses Vertrauen zu entwickeln.

In Thüringen will Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow mit SPD und Grünen über eine Koalition verhandeln, um Regierungschef zu werden. Gauck sagte: „Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren.“

Kritik an Bundespräsident Gauck wächst

Die Bedenken sind bei der Linkspartei auf scharfe Kritik gestoßen. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hat die kritischen Äußerungen von Bundespräsident Joachim Gauck an der sich abzeichnenden rot-rot-grünen Koalition in Thüringen zurückgewiesen. Dem Berliner "Tagesspiegel" (Montagsausgabe) sagte Gysi, die Hälfte aller Ostdeutschen würden sich Umfragen zufolge einen linken Ministerpräsidenten wünschen. "Vielleicht sollte ein zur Neutralität verpflichtetes Staatsoberhaupt zumindest dies akzeptieren", mahnte Gysi. Zugleich erinnerte der Linken-Politiker daran, dass Gauck sich in der Linksfraktion vorgestellt habe, um für Stimmen bei der Wahl zum Bundespräsidenten zu werben. "Wie das, wenn er zu uns kein Vertrauen hat?" fragte Gysi.

Auch die Parteivorsitzende Katja Kipping wies die Kritik des Bundespräsidenten an der sich abzeichnenden rot-rot-grünen Koalition in dem Bundesland und dem möglichen linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow in der "Bild am Sonntag" zurück. "Ein Präsident muss seine Worte sehr wägen", sagte Kipping. "Sobald er sich dem Verdacht aussetzt, Parteipolitik zu machen, ist seine Autorität beschädigt." Sie "bezweifle, dass Herr Gauck sich mit diesen Äußerungen einen Gefallen" getan habe, sagte die Linken-Politikerin. Gaucks Zweifel "an der demokratischen Gesinnung" der Linken-Parteimitglieder und Wähler weise sie "in aller Form zurück". "So etwas gehört sich für einen Präsidenten nicht", sagte Kipping.

Als erster ostdeutscher Ministerpräsident hat Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD) die Kritik von Bundespräsident Joachim Gauck an einer möglichen rot-rot-grünen Koalition in Thüringen zurückgewiesen. "Ich fürchte, dass es dem Amt des Bundespräsidenten schadet, wenn sich dieser in die Debatte um die Regierungsbildung in einem Bundesland einschaltet", sagte Sellering. Er sehe Gaucks Äußerungen mit Sorge und halte dessen Befürchtungen "in der Sache für falsch", erklärte der SPD-Politiker. Die Linke habe bereits in mehreren Landesregierungen "ihre demokratische Zuverlässigkeit bewiesen".

Grünen-Chef Cem Özdemir äußerte hingegen Verständnis für Gauck. "Der Bundespräsident hat nur das gesagt, was viele denken, die das Unrecht, das in der DRR vorherrschte, zum Teil noch am eigenen Leib erfahren haben. Das sollte man ernst nehmen." Mit Parteipolitik habe das "nichts zu tun".

Auch SPD-Vize Ralf Stegner mahnt Joachim Gauck zur Zurückhaltung

Die Bedenken von Bundespräsident Joachim Gauck gegen einen möglichen linken Ministerpräsidenten in Thüringen stoßen auch bei der SPD auf Kritik. SPD-Vize Ralf Stegner mahnte im Berliner "Tagesspiegel" (Montagausgabe) mehr Zurückhaltung des Staatsoberhauptes in parteipolitischen Debatten an. Wörtlich sagte Stegner: "Dass sich der Herr Bundespräsident auch bei schwierigen Themen meistens sehr entschieden und klar äußert und dass dies nicht immer allen gefällt, macht seine Stärke und Popularität aus. In strittigen Fragen der aktuellen Parteipolitik ist allerdings Zurückhaltung klug und geboten, zumal die Amtsautorität des Staatsoberhauptes auf seiner besonderen Überparteilichkeit beruht."

Wenn die SPD in Thüringen, bei der derzeit eine Mitgliederbefragung läuft, den Weg für Rot-Rot-Grün freimacht, könnte Bodo Ramelow am 5. Dezember gewählt werden. Damit wäre erstmals ein Politiker der Linken Ministerpräsident eines Bundeslandes. (mit dpa, AFP)

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