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Bundespräsident Joachim Gauck im Bundestag.

© AFP

Joachim Gauck zum Jahrestag der Auschwitz-Befreiung: Vom Auftrag, recht zu tun

Joachim Gauck hat eine große Rede gehalten. Denn genau das muss Deutschland sein: eine Verantwortungsgemeinschaft, getragen von dem gemeinsamen Willen, recht zu tun und Empathie mit denen zu bezeugen, die heute verfolgt und ausgegrenzt werden. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Die Befreiung von Auschwitz vor 70 Jahren – aus diesem Anlass eine große Rede, das ist es, was wir uns nur wünschen konnten. Wir alle, die wir in diesem Land leben. Alle, die dieses Land ihre „Heimstatt“ nennen, wie es Bundespräsident Joachim Gauck getan hat. In seiner großen Rede.

Was geschah und geschieht, hat er verwoben zu dem, was man eine neue Erzählung nennen kann. Und das ist nötig, weil Gedenktage erstarren können, auch dieser. Sie können eine leere Hülle werden, höchstens voller Beschwörungsformeln. Da lauert die Gefahr: in der Gleichgültigkeit. Schon gar, wenn das „Nie wieder“, konstitutive Formel deutscher internationaler Politik, konfrontiert wird mit: Kambodscha, Ruanda, Darfur, Srebrenica, Syrien, Irak. Aber er, Gauck, hat daran erinnert und so die Politik damit konfrontiert.

Richtig, der Holocaust ist unvergleichlich. Genozid und Massenmord muss man dennoch nennen, was die Welt nach Auschwitz geduldet hat. Daraus zu schließen, dass Gedenken sowieso keinen Sinn hat, wäre allerdings ein Kurzschluss. Das walte Gauck. Das lässt er nicht zu. Es ist keine leere Formel, nicht beschwörend, sondern schlicht authentisch, wichtig, richtig, wenn der Präsident sagt: So wenig, wie der Schalom, der Zustand umfassender Glückseligkeit, jemals auf Erden zu erreichen ist, wird sich das „Nie wieder“ gänzlich erfüllen. Einerseits. Als moralisches Gebot, als innerer Kompass, als Richtschnur unseres Handelns bleibt es dennoch unverzichtbar; denn für das gerechte, zivilisierte Zusammenleben zu arbeiten, bedeutet, am „Nie wieder“ zu arbeiten.

Darin findet sich auch der überwölbende Anspruch all derer, die hier zu Hause sind, in der – welch wundervolles Wort – „Verantwortungsgemeinschaft, die nicht aus einer Erfahrungsgemeinschaft herrührt“. Genau, das muss Deutschland sein: eine Verantwortungsgemeinschaft, getragen von dem gemeinsamen Willen, recht zu tun und Empathie mit denen zu bezeugen, die heute verfolgt und ausgegrenzt werden, die Opfer von Krieg und Terror sind. Und so webt sich Erinnern als Handeln in die Textur unserer nationalen Identität ein. Daran webt dieser Präsident.

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