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Jordanien: Korb für den König

Jordaniens Muslimbrüder wollen nicht ins Kabinett. Islamisten und Beduinen misstrauen gemeinsam der Königin.

Tel Aviv - Mit einer neuen Regierung wollte Jordaniens König die Unruhen stoppen, die auch sein Land in der Folge des Umsturzes in Tunesien und der Massenproteste in Ägypten erfasst haben. Doch die Islamische Aktionsfront IAF, politischer Arm der mächtigen Muslimbruderschaft, hat das Angebot zur Beteiligung ausgeschlagen. Nach Gesprächen mit dem designierten neuen Premier Marruf Bakhit erklärte der IAF-Generalsekretär, eine Regierungsteilnahme „stehe unter den gegenwärtigen Umständen außer Frage“. Seine Organisation verlange „keine Wunder“, aber „baldige Wahlen und ein neues Wahlgesetz“.

Mit einer Regierung auf breitestmöglicher Basis sowie politischen und sozialen Reformen sollte Bakhit den Massenprotesten Einhalt gebieten. Doch ausgerechnet die stärkste Stütze des Regimes, die Beduinenstämme, solidarisierte sich mit den Forderungen der Islamisten. Die 36 wichtigsten Stammesfürsten wagten erstmals überhaupt Kritik am Regime von König Abdullah II: Jordanien leide an einer „Autoritätskrise“ und unter Korruption. Es drohe daher eine „Revolte des Volkes“. Während Abdullahs Vater Hussein über viereinhalb Jahrzehnte mit eiserner Hand regierte, bezahlt sein Sohn ausgerechnet für seine weniger autoritäre Herrschaft, die freilich nicht politisch liberal zu nennen ist. Der besondere Zorn der Beduinenchefs gilt der im Ausland beliebten Königin Rania. Sie wird, wenn auch nicht namentlich, beschuldigt, „sich ohne konstitutionelle Rechte in Exekutiventscheidungen einzumischen“.

Muslimbrüder und Beduinen haben allerdings sehr unterschiedliche Meinungen zum Wahlrecht. Es bevorteilt derzeit die ländlichen Regionen, in denen die Beduinen die absolute Mehrheit der Bevölkerung stellen, während sie keine 40 Prozent der Gesamtbevölkerung des haschemitischen Königreiches ausmachen. Die Islamisten stützen sich ihrerseits vor allem auf die Palästinenser in den Städten und Flüchtlingslagern, die insgesamt die deutliche Mehrheit der Bevölkerung stellen. Wenn nun, wie von allen Oppositionsgruppierungen gefordert, das neue Wahlgesetz auf der „Grundlage eines gerechten Verhältniswahlrechtes“ ausgearbeitet werden soll, so würden die staatstragenden Beduinen ihre Macht verlieren, was in der Praxis das Ende des haschemitischen Königreiches bedeuten würde. Bisher konnte der König, der sich auf die Beduinen stützt, frei das Parlament auflösen und die Regierung auswechseln. Charles A. Landsmann

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