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Politik: Jubiläum ohne Jubel

Warschau blockiert Gelder für das Deutsch-Polnische Jugendwerk

Von Sandra Dassler

Berlin - An diesem Donnerstag begeht das Deutsch-Polnische Jugendwerk sein 15-jähriges Jubiläum. Doch von Feierstimmung ist keine Rede. Im Gegenteil: Erstmals in der Geschichte der Einrichtung, die seit 1991 mehr als 1,5 Millionen Jugendliche aus Polen und Deutschland einander näher gebracht hat, sind Projekte gefährdet oder müssen verschoben werden. Grund: Die polnische Regierung blockiert die Herausgabe von Geldern für die Finanzierung.

„Wir bekommen keine Bestätigung aus Warschau, ob das Geld – mehr als eine Million Euro – gezahlt wird“, sagte die deutsche Geschäftsführerin des Jugendwerks, Doris Lemmermeier, dem Tagesspiegel. Für das laufende Jahr hätten die Regierungen beider Länder, die das Jugendwerk gemeinsam finanzieren, eine Gesamtsumme von 9,6 Millionen Euro vereinbart – zahlbar in vier Raten. Nur die ersten drei Raten hat Warschau gezahlt. Im auf deutscher Seite zuständigen Bundesfamilienministerium heißt es, dass die polnische Haltung bei der Umsetzung der Projekte zu Schwierigkeiten führt, „weil wir so keine Planungssicherheit für Monate im Voraus haben“. Anfragen in Warschau blieben bisher erfolglos. Politiker wie Wolfgang Thierse (SPD) oder die Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, Angelica Schwall-Düren, äußerten sich am Dienstag besorgt über die Gefährdung der Projekte. Lemmermeier empört, dass das zuständige polnische Erziehungsministerium auf Nachfragen verlauten lässt, es gebe im Jugendwerk „finanzielle Unregelmäßigkeiten“. „Da denkt doch jeder an schwarze Konten und Betrug“, sagte sie. Es habe zwar 2004 einen Fehler bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge der polnischen Kollegen gegeben. Dies sei aber längst korrigiert worden.

Was Lemmermeier nicht sagt, um die Beziehungen zu Warschau nicht zu gefährden, ist unter Mitarbeitern des Jugendwerks kein Geheimnis: Seit das Erziehungsministerium in Warschau vom stellvertretenden polnischen Ministerpräsidenten Roman Giertych von der national-konservativen „Liga polnischer Familien“ geführt wird, hat es nur Ärger gegeben. So sollte der polnische Geschäftsführer des Jugendwerks durch einen eigenen Kandidaten ersetzt werden – was misslang. Dann erregte eine Broschüre, die das Jugendwerk für die Jugendbegegnungen nutzt, den Ärger Warschaus. Darin ist auch von der Vertreibung Deutscher und vom Antisemitismus in Polen die Rede.

Für den SPD-Bundestagsabgeordneten und Polen-Kenner Markus Meckel ist deshalb offensichtlich: „Die finanziellen Unregelmäßigkeiten sind nur vorgeschoben. In Wahrheit treibt Herr Giertych ein Spielchen. In Wahrheit geht es wieder einmal um den schwierigen Umgang mit Geschichte.“ Meckel hat erst kürzlich Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski gebeten, dafür zu sorgen, dass die deutsch-polnischen Beziehungen und Projekte nicht weiter gefährdet werden. Ob Kaczynski – auch angesichts der gegenwärtigen Koalitionskrise – dafür Interesse aufbringt, ist allerdings fraglich.

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