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Jugendkriminalität: Verkehrte Welt

Wenn die CSU ausgerechnet im Wildbad Kreuth ausgerechnet beim Thema innere Sicherheit jeden scharfen Ton zu meiden trachtet – dann ist etwas faul. Die CSU macht Gerhard Schröder zum Vorbild für einen "Aufstand der Anständigen" gegen Kriminelle.

Von Robert Birnbaum

Peter Gauweiler stellt an diesem Montag schon die Spitze des Bayerisch-Derben dar mit der Bemerkung, Deutschlands Sicherheit werde zum Beispiel „am Berliner Bahnhof Zoo“ verteidigt. Was, nebenbei bemerkt, darauf hindeutet, dass der Herr Bundestagsabgeordnete dort schon länger nicht mehr war. Auch sonst wirkt Peter Gauweiler zu Beginn der krawalltraditionsreichen CSU-Landesgruppenklausur im idyllischen Tegernseer Tal etwas aus der Zeit. Sicherheits-Sheriffs in jedem U-Bahn-Wagen? Michael Glos zieht sich aufs Ministerfach zurück: Der Gauweiler, der sei als vormaliger Münchner Kreisverwaltungsreferent ja irgendwie Experte, er hingegen sei „nur für Wirtschaft zuständig“.

Die auffällige Abneigung der Christsozialen gegen das Top-Thema dieser Tage hat zwei simple Gründe. Die Debatte hat ihren Ausgangspunkt in Bayern – nur ausnahmsweise nicht bei der CSU. Die CSU-Landesgruppe und ihr Chef Peter Ramsauer hatten sich eigentlich für ihre Klausur zum Jahresauftakt vorgenommen, die Bayern als Bollwerk der wirtschaftlichen Vernunft in der Koalition zu profilieren. Ramsauer versucht tapfer, wenigstens etwas von dem Plan zu retten: „Wir sind der Anwalt für das bürgerliche Lager“, sagt er, und dass die CSU ferner der wahre Anwalt der kleinen Leute sowie der Leistungsträger der Gesellschaft sei.

Aber Ramsauer ahnt da schon: Dass die CSU für eine Steuerreform irgendwann in den nächsten Jahren ist, interessiert gerade niemanden so richtig. Seit Roland Koch die Jugendgewalt als Wahlkampfschlager entdeckt hat, bestimmt er die Schlagzeilen. An sich wäre die CSU allemal dabei. Doch der Satz, mit dem Ramsauer auf dieses Thema überleitet, läßt einen weiteren Grund für die neue Kreuther Zögerlichkeit erahnen: „Es hat leider Gottes dieser Vorkommnisse bedurft …“, sagt er. Sie haben nämlich, die Vorkommnisse, ihren Anfang genommen in der Münchner U-Bahn-Station Arabellapark. Niemand wirft der Landesregierung vor, sie trage Mitverantwortung dafür, dass zwei Jugendliche dort einen Rentner zusammenschlugen. Ein bisschen peinlich für das selbst ernannte Musterland der inneren Sicherheit ist die Sache trotzdem, zumal im bayerischen Superwahljahr mit der Kommunalwahl im März vor der Tür und der Landtagswahl im Herbst.

Aber was hilfts? Wenn SPD-Chef Kurt Beck der Union „Rechtspopulismus“ vorwirft, kann Ramsauer so wenig schweigen wie sein Parteichef Erwin Huber. Der rechnet vor, dass die CSU schon seit dem Jahr 2000 schärfere Schritte gegen Jugendgewalt angemahnt habe. Ramsauer formuliert es so: Wenn die SPD weiterhin nicht auf die Vorschläge der Union eingehe, „macht sie sich selbst zum Sicherheitsrisiko“. Besonders scharf klingt das nicht, schon gar nicht für Kreuther Verhältnisse. Der Nachsatz lässt etwas vom Kreuther Geist aufblitzen, der ja zuweilen ein listiger ist: Ramsauer ruft einen zum Zeugen, der hier sonst eher nicht zitiert wird. Als Farbige und Ausländer überfallen worden seien, habe der damalige SPD- Kanzler Gerhard Schröder einen „Aufstand der Anständigen“ gefordert. Und wenn jetzt ein deutscher Rentner zusammengeschlagen werde? „Es muss hier auch zu einem Aufstand der Anständigen kommen!“

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