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Generation ohne Hoffnung. Studenten demonstrieren in Athen gegen ein Reformgesetz, das den Einfluss der Studentenorganisationen an Universitäten beschränkt.

© dpa

Junge Griechen: Die Flucht ins Ausland

Junge Griechen sind in der Heimat oft chancenlos. In der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen sind inzwischen mehr als 40 Prozent arbeitslos. Viele wandern deshalb aus - auch nach Deutschland.

Lautstark verschafft sich die Schülerdemonstration vor dem Parlament in Athen Gehör. Mehr Geld für die Bildung – so lautet die Forderung mehrerer hundert Gymnasiasten, die an diesem Morgen über den Panepistimiou-Boulevard zur Universität marschieren. Unter ihnen ist der 16-jährige Vasilis Papadas. Er trägt ein rotes Che-Guevara-Shirt, und seine Botschaft, die er den Fußgängern am Straßenrand entgegenschleudert, ist denkbar einfach: „Die Reichen in diesem Land müssen zahlen.“

Die Familie von Vasilis Papadas gehört nicht zu den wohlhabenden Griechen, die ihre Schäfchen bereits ins Trockene gebracht haben, bevor die Schuldenkrise ihr Land an den Rand des Abgrundes brachte. Der 16-Jährige erzählt, dass sein Vater pro Tag 14 bis 16 Stunden in einem Restaurant kellnert, während seine Mutter als Putzfrau arbeitet. Jetzt müsse der Vater um seinen Job bangen, weil die Restaurantbesucher wegen der Rezession ausbleiben. Vasilis Papadas ist in die Athener Innenstadt zum Demonstrieren gekommen, weil er nicht weiß, ob es sich seine Eltern auch künftig noch leisten können, pro Monat 250 Euro für seine Nachhilfestunden auszugeben. Wenn er mit der Schule fertig ist, will er Biologie studieren. Fast jeder Gymnasiast aus seiner Altersgruppe nimmt private Nachhilfestunden – aus Angst, es nicht auf die Universität zu schaffen.

Vasilis Papadas ahnt schon, dass auch er demnächst zu den Opfern der griechischen Schuldenkrise zählen könnte. So wie er gehören rund ein Zehntel der Griechen zur Altersgruppe der unter 25-Jährigen – und sie sind es, die von der Rezession in Hellas besonders hart getroffen werden. Viele der Jungen verfügen über eine gute Ausbildung, und doch haben sie nur geringe Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. Nach Angaben des griechischen Statistikamtes Elstat beträgt die Jugendarbeitslosigkeit in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen inzwischen mehr als 40 Prozent. Unter den 25- bis 35-Jährigen erreicht die Quote der Jobsucher den ebenfalls noch erschreckend hohen Wert von 22 Prozent.

Lesen Sie auf Seite 2 wieso den jungen Griechen jetzt auch nach Deutschland kommen werden.

„Die Arbeitslosigkeit von Menschen im Alter zwischen 20 und Anfang 30 liegt auf einem Rekordniveau, auch weil die Regierung weiterhin ein umfassendes Sparprogramm durchführt, um die öffentlichen Finanzen des Landes wieder auf Kurs zu bringen“, schreibt Nick Malkoutzis von der englischsprachigen Ausgabe der griechischen Tageszeitung „Kathimerini“ in einer Analyse für die Friedrich-Ebert-Stiftung. Jens Bastian, Wirtschaftswissenschaftler am Athener Forschungsinstitut Eliamep, fasst die Zukunftsaussichten der Generation, die jetzt auf den Arbeitsmarkt drängt, so zusammen: „Viele junge Menschen sehen das Licht am Ende des Tunnels nicht als ein Hoffnungszeichen, sondern als einen einfahrenden Zug.“

Zahlreichen Griechen bleibt als Alternative nur noch die Auswanderung. Wie Nick Malkoutzis in seiner Studie berichtet, haben in den ersten fünf Monaten dieses Jahres in der von der EU finanzierten Datenbank „Europass“, mit der die Mobilität unter den EU-Bürgern erhöht werden soll, mehr als 35 000 Griechen Angaben zu ihrem Bildungsstand und zu ihren Qualifikationen gemacht. Davon waren 22 000 jünger als 30 Jahre. Deutschland gehört neben Großbritannien, den USA, Australien oder Kanada bei den jungen, auswanderungswilligen Griechen zu den häufig genannten Zielen. So geht denn auch der deutsche Botschafter in Athen, Roland Wegener, davon aus, „dass in den nächsten Jahren sehr viel mehr griechische Studenten nach Deutschland kommen werden als in der Vergangenheit“.

Zwar ist es nicht neu, dass zahlreiche Griechen zum Studieren ins Ausland gehen. Im vorigen Jahrzehnt, sagt Nick Malkoutzis, gehörten die Hellenen „zu den weltweit größten Exporteuren von Studierenden“. Mit der Krise dürfte sich allerdings eines ändern: Im Gegensatz zu früheren Zeiten dürften viele im Ausland ausgebildete griechische Akademiker nach dem Studium nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren.

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