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Politik: Junggenossin Trend

Auch die neue Juso-Vorsitzende will einen „demokratischen Sozialismus“

Am liebsten wäre sie gar nicht gekommen. Sagen will Karin Kaiser eigentlich auch nichts. „Wir sind hier doch sowieso in der Minderheit“, beschwert sich die 20-Jährige vom Juso-Bezirk Hessen- Süd. Mit ihrer Delegation sitzt sie in einem Wolfsburger Tagungshotel beim Bundeskongress der Jungsozialisten ihre Zeit ab. „Mehr ist das nicht“, sagt die Studentin. Und sie glaubt, dass die Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Nachwuchsorganisation der SPD auch ein Spiegelbild der Gesamtpartei sind: Links ist en vogue.

Da hat es die Hessin schwer. Sie ist für die Agenda 2010, für den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr und für Gerhard Schröder. Der frühere Bundeskanzler war schließlich auch einmal Juso-Vorsitzender. Doch das ist lange her. Schon seit Jahren ist Schröder eine Art Persona non grata bei den Jusos. Zumindest bei denen, die die Mehrheit auf sich vereinen.

Diese Mehrheit ist ungefähr 214 Stimmen stark. So viele Delegierte der Jungsozialisten wählten am Sonnabend die Berlinerin Franziska Drohsel zur neuen Bundesvorsitzenden, das entspricht einem Stimmenanteil von 76 Prozent. Gewählt wurde sie für ihr linkes Profil: Sie spricht lieber vom demokratischen Sozialismus als vom vorsorgenden Sozialstaat. „Es freut mich, dass die Linke wieder besser aufgestellt ist in der SPD“, sagt Drohsel in ihrer Rede.

Von einem Linksruck der Jusos will Lars Oberg nichts wissen. Er kommt ebenfalls aus Berlin und stellt klar: „Wir sind ein linker Richtungsverband, das war schon immer so, das ist so und das wird auch so bleiben.“ Das wissen auch Frank-Walter Steinmeier, der Außenminister und Vizekanzler, und Kurt Beck, der Parteivorsitzende. Beide waren in Wolfsburg zu Gast, nur war der eine willkommener als der andere. Beck wird mit großem Applaus empfangen. Er marschiert durch die Reihen, verteilt viele Handschläge und herzt die neu gewählte Juso-Chefin. Alle stehen.

Seine Rede ist kämpferisch, engagiert und sozialdemokratisch. Beck bezieht sich auf die lange Geschichte der SPD, spricht von Otto Wels und verweist auf die Zeit der Industrialisierung. Und gibt sich als Mann für die Attacke. Wolfgang Schäuble warnt er, die „Freiheit zu Tode zu schützen“. Von Verteidigungsminister Fanz Josef Jung fordert Beck mehr Verfassungstreue, weil dieser nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen den Abschuss von Passagierflugzeugen im Terrorfall immer noch an den Plänen festhalte. Er verlangt vehement einen Mindestlohn: „Das muss auch in die Köpfe der Schwarzen“, ruft er laut in den Saal. Ausdrücklich betont Beck, dass seine außenpolitischen Überzeugungen „deckungsgleich“ mit denen von Steinmeier sind.

Geholfen hat dem das nicht mehr. Steinmeier musste schon einen Tag früher vor dem Nachwuchs reden. Bei seinem Einmarsch standen längst nicht alle Delegierte. Auch der Vizekanzler attackierte die Union beim Thema Mindestlohn, hob Erfolge beim Bafög hervor und sprach sich gegen Studiengebühren aus. Außerdem unterstrich er die Bemühungen um eine stärkere Abrüstungspolitik. Aber „das beste an Steinmeiers Rede war ihr schnelles Ende“, sagt Stephan Rolli aus Bayern, und alle am Tisch nicken.

Steinmeier hat sich nicht angebiedert. Er warnt in seiner Rede die SPD vor dem Gang in die geistige Opposition. Erfolge bei der Arbeitslosigkeit, beim Umweltschutz und in der Haushaltspolitik seien Regierungserfolge. „Das hätten wir gerne mit Gerhard Schröder erlebt“, sagt er noch. Jubel gibt es dafür nur aus der Mitte. Dort sitzen die Baden-Württemberger. Sie sind so etwas wie das pragmatische Korrektiv der Jusos und gegen einen Linksruck. Die letzten Agenda-Mohikaner. „Mit differenzierter Auseinandersetzung hat das nichts zu tun: das ist nur Hetze gegen die Agenda“, sagt Roman Götzmann, ihr Landeschef, an die Adresse der Linken. Damit spricht er auch Karin Kaiser aus dem Herzen.

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