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Erstürmt. Die Unterkunft von Osama bin Laden steht in Flammen - kurz nachdem die Attacke der US-Spezialkräfte begann.

© Reuters

Juristische Analyse: Attacke auf Bin Laden und das Völkerrecht

Was darf eine Nation sich herausnehmen, um auch außerhalb des eigenen Territoriums gegen seine Feinde vorzugehen? Eine juristische Analyse nach der tödlichen Attacke auf Osama bin Laden.

Mit dem Tod Osama bin Ladens rückt wieder eine Facette internationaler Kriegführung in den Blickpunkt, die nicht nur in den USA in den vergangenen Monaten verstärkt diskutiert wurde: Was kann, was darf eine Nation sich herausnehmen, um auch außerhalb des eigenen Territoriums gegen seine Feinde vorzugehen? Mit welchen Aktionen wird internationales Recht gebrochen?

Ausgerechnet unter der Präsidentschaft Barack Obamas hat das US-Militär seine Praxis ausgebaut, mit unbemannten Drohnen mutmaßliche Terroristen anzugreifen und zu töten, vorzugsweise im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan. Die USA werden dafür, trotz Zustimmung der pakistanischen Regierung, vielfach kritisiert. Manche "gezielte Tötungen" der Amerikaner finden aber auch den ungeteilten Beifall westlicher Staatschefs, etwa die des jordanischen Terroristen Abu Musab al Sarkawi im Irak im Juni 2006. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wertete den Schlag damals als Erfolg, wie jetzt auch die Tötung des Top-Terroristen bin Laden.

Die völkerrechtliche Legitimität solcher Schläge ist umstritten, insbesondere Israel muss sich dafür immer wieder rechtfertigen. Hinrichtungen ohne gerichtliches Urteil verstoßen gegen Grundprinzipien des Rechtsstaats ebenso wie gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Die völkerrechtliche Pikanterie jedoch besteht darin, dass Straf- und Präventivaktionen oft in militärische Handlungen eingebettet sind.

So wird die Frage nach der Völkerrechtskonformität oft zu einer Frage des Kriegsrechts. In Afghanistan herrscht ein bewaffneter nicht-internationaler Konflikt. Völkerstrafrechtlich ist es deshalb erlaubt, gegen militärisch operierende Einheiten vorzugehen, im Zweifel auch gegen einzelne Kämpfer, etwa Taliban-Anführer. Militärische Aktionen dürfen allerdings nicht in unverhältnismäßiger Weise zivile Opfer kosten. Dies ist auch die offizielle Haltung der Bundesregierung, wenngleich für die deutschen Streitkräfte die Order ausgegeben wurde, Kombattanten möglichst festzunehmen.

Bin Ladens Versteck lag zwar außerhalb eines Kriegsgebiets, doch argumentieren die Amerikaner, sie dürften im Hinblick auf ihr Selbstverteidigungsrecht im Kampf gegen den Terror auch hier gegen Feinde vorgehen. Ob es sich dann noch um eine völkerrechtlich gedeckte Aktion gehandelt haben kann, wird man an den näheren Umständen zu beurteilen haben. Die US-Streitkräfte hätten den Terroristenführer festnehmen und vor ein heimisches Gericht stellen können, wie es die Regierung mehrfach angekündigt hatte. Möglich, dass dies auch ihr Befehl war - und bin Laden getötet wurde, als er sich wehrte. Möglich aber auch, dass es einen Auftrag zur Liquidierung gab. Aus Sicht der USA wäre das legal, weil sie den Getöteten als militärischen Gegner betrachten. Völkerrechtlich ist es bedenklich.

Die Hauptkritik - auch die der Vereinten Nationen - entzündet sich daran, dass "gezielte Tötungen" oft ungezielt sind, dass Unschuldige sterben, wenn etwa Drohnen ihre Ziele im Ausland treffen. Der UN-Sonderberichterstatter Philip Alston hatte deshalb vergangenes Jahr auf Regelungen für die Grauzone gedrungen, um insbesondere geheime CIA-Kommandos kontrollierbar zu machen. Eine andere, unter Völkerrechtlern häufig geäußerte Befürchtung - dass es den Falschen trifft - bestätigt sich im Fall bin Ladens wohl eher nicht: Der hatte selbst mit seinen Terrortaten geprahlt.

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