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Politik: Jusos: Der Fluch von heute

Die gute Nachricht zuerst: Niemand wurde handgreiflich, und die gegenseitigen Beleidigungen lagen zumindest oberhalb der Gürtellinie. Es ging auch bei diesem Bundeskongress der Jusos in Köln mal wieder um die Zukunftsfähigkeit des SPD-Nachwuchses.

Die gute Nachricht zuerst: Niemand wurde handgreiflich, und die gegenseitigen Beleidigungen lagen zumindest oberhalb der Gürtellinie. Es ging auch bei diesem Bundeskongress der Jusos in Köln mal wieder um die Zukunftsfähigkeit des SPD-Nachwuchses. Der scheidende Vorsitzende Benjamin Mikfeld war vor zwei Jahren angetreten, um die alten Juso-Strukturen modern zu machen, die Flügelkämpfe zu überwinden, den Verband "politikfähig" zu machen.

In seinem pointierten Rechenschaftsbericht verglich Mikfeld die Jusos am Samstag mit der alten KPdSU, sich selbst mit dem Reformer Michail Gorbatschow und seine Reformbemühungen mit Perestroika und Glasnost. "Leider muss man manchmal sehen, dass einige Genossen selbst in dieser schicksalsträchtigen Zeit nicht von ihrem Zwist, ihren Gruppenquerelen und persönlichen Ambitionen ablassen können", hatte Gorbatschow auf einer Parteikonferenz 1988 bilanziert. Dies gelte auch für die Jusos, sagte Mikfeld, konzentrierte sich aber im Rest seiner Rede vor allem auf Kritik an der Regierung Schröder: An Schröders Faulheit-Attacke gegen Arbeitslose und an der Konsens- und Rätedemokratie des Bundeskanzlers, manifestiert in der Einwanderungskommission oder dem Nationalen Ethikrat. "Es geht hier gar nicht um Konsens, sondern darum, bestimmte Entscheidungen vorzustrukturieren", sagte Mikfeld.

Der Bundeskongress hatte zuvor den Leitantrag "Recht auf Zukunftschancen" verabschiedet, worin die Jungsozialisten fordern, mit jeder zehnten Mark, die in Deutschland vererbt wird, das Bildungssystem zu stärken. Zudem soll das JUMP-Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit über 2003 hinaus verlängert werden.

Auch ein neuer Vorsitzender wird es wie Gorbatschow und Mikfeld schwer haben. Parallel zu den Mitgliederzahlen ist auch der Einfluss des SPD-Nachwuchses geschrumpft. Hatten die Jusos in den Siebzigern noch 300 000 Mitglieder, sind es heute nur noch 75 000. "Die Stärke der Jusos in den Siebzigern ist unser Fluch von heute", sagte Mikfeld. Die Mutterpartei, der auch die jungen Wähler abhanden gehen, setzt nur noch widerwillig auf die Jusos und schaut sich nach Alternativen um. Das ärgert den offiziellen Nachwuchs. Auch in Köln wurde klar, dass viele Jusos die neue Netzwerkkultur der SPD, das "red net" oder das "Netzwerk 2010" als Konkurrenz empfinden. Zu Recht.

Erst am Abend sollte ein neuer Vorsitzender gewählt werden.

Markus Feldenkirchen

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