zum Hauptinhalt

Justiz: Deutscher Schriftsteller in der Türkei in Haft

Der türkischstämmige deutsche Schriftsteller Dogan Akhanli ist in Istanbul verhaftet worden. Ihm wird die Beteiligung an einem Raubüberfall im Jahr 1989 vorgeworfen. Doch daran gibt es Zweifel. Sitzt Akhanli wegen seines Engagements für die Armenierfrage hinter Gittern?

Zum ersten Mal seit fast 20 Jahren wollte Dogan Akhanli seine alte türkische Heimat besuchen. Doch kaum war der deutsche Schriftsteller türkischer Herkunft vor etwa zwei Wochen auf dem Flughafen Sabiha Gökcen im asiatischen Teil von Istanbul angekommen, wurde er verhaftet und ins Untersuchungsgefängnis gesteckt. Sein Anwalt spricht von vielen juristischen Ungereimtheiten und einem „Justizskandal“. Der Kölner Schriftsteller Günter Wallraff sieht einen Zusammenhang zwischen dem Vorgehen der türkischen Behörden gegen Akhanli und dessen Engagement in der Frage des türkischen Völkermords an den Armeniern im Ersten Weltkrieg.

Von einem „Rachebedürfnis bestimmter Justizkreise“ im Fall Akhanli sprach Wallraff im Deutschlandradio Kultur. Die Armenier frage sei schließlich „immer noch eine offene Wunde in der Türkei“.

Akhanli saß in den Jahren nach dem Militärputsch von 1980 in der Türkei mehrere Jahre als politischer Häftling im Gefängnis. Er soll 1989, zwei Jahre vor seiner Flucht aus der Türkei nach Deutschland, an einem tödlichen Raubüberfall in Istanbul beteiligt gewesen sein. Auf der Grundlage dieses Vorwurfs wurde er jetzt verhaftet, als er in die Türkei kam, um seinen kranken Vater zu besuchen.

In Deutschland war Akhanli zunächst als Flüchtling anerkannt und später eingebürgert worden; seine türkische Staatsbürgerschaft verlor der in Köln lebende Autor. Möglicherweise betreibe die türkische Justiz nun „politischen Revanchismus gegen einen ehemaligen missliebigen Bürger“, erklärte die Organisation „Recherche International“, bei der Akhanli mitarbeitet und die Beiträge und Ausstellungen zu Genozid-Erfahrungen organisiert.

Nach Angaben von Akhanlis Anwalt Haydar Erol ist das Vorgehen der Staatsanwaltschaft jedenfalls recht merkwürdig. So seien andere Tatverdächtige in dem Fall bereits in den 1990er Jahren freigesprochen worden – aber nicht Akhanli. Auch stützt sich die Anklage auf einen Zeugen, der inzwischen berichtet hat, seine Aussage über eine Tatbeteiligung von Akhanli sei ihm in den frühen 1990er Jahren unter Folter angepresst worden. Andere Zeugen sagten nach Akhanlis Verhaftung vor zehn Tagen bei der Polizei aus, sie könnten den Schriftsteller nicht als Täter identifizieren.

Die Anklage habe diese entlastenden Entwicklungen aber nicht in die Akten des Falles eingefügt und auch dem zuständigen Richter nichts davon gesagt, kritisierte Anwalt Erol im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Richter wies deshalb die Einsprüche gegen den Haftbefehl zurück. Inzwischen hat der Staatsanwalt seine Anklageschrift an ein Istanbuler Schwurgericht geschickt. Das Gericht muss non entscheiden, ob es den Prozess eröffnet oder die Anbklageschrift zurückweist.

Für eine Inhaftierung seines Mandanten gebe es keine Rechtsgrundlage, sagte Erol. Die deutschen Behörden sollten sich für den deutschen Staatsbürger Akhanli einsetzen, forderte Erol. Akhanlis Moral sei „am Boden“. Das deutsche Generalkonsulat in Istanbul betreut den Untersuchungshäftling konsularisch, doch politische Interventionen aus Berlin gab es in dem Fall bisher nicht.

Akhanli hatte sich laut „Recherche International“ in den vergangenen Jahren auch für die Aufklärung des Mordes an dem türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink im Jahr 2007 eingesetzt. Dink war von einem rechtsradikalen Jugendlichen niedergeschossen worden, doch vermutet die Famililie des Journalisten, dass der Täter Helfer oder Anstifter im Staatsapparat hatte. Dink galt bei türkischen Nationalisten als Verräter, weil er sich für die Aufarbeitung der türkischen Massaker an den Armeniern ausgesprochen hatte.

Zur Startseite