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Der Luxemburger Dean Spielmann (50) rückt für drei Jahre an die Spitze. Foto: dpa

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Justiz: Neuer Präsident für Europas Menschenrechtsgericht

Dean Spielmann rückt für drei Jahre an die Spitze des Straßburger Gerichts, dem sich 47 europäische Staaten unterworfen haben. Er ist ein echter Richter - und weniger ein Diplomat

Berlin - Er sieht es selbst als das angesehenste Amt an, dass einem Juristen angetragen werden kann, jedenfalls in Europa. An diesem Donnerstag tritt Dean Spielmann seinen Job als Präsident des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) in Straßburg an. Der Gerichtshof wacht über die Einhaltung der Menschenrechtskonvention in den 47 Mitgliedstaaten des Europarats. Der 50 Jahre alte Luxemburger rückt als Nachfolger des Briten Nicolas Bratza für drei Jahre an dessen Spitze.

Der Einfluss des EGMR auf die Staaten und ihre Justiz ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Aktuell schafft zum Beispiel die Bundesrepublik auf Druck des Gerichts erstmals ein einklagbares Umgangsrecht für leibliche unverheiratete Väter, die – auch gegen den Willen der Mütter – ihre Kinder sehen wollen. Jeder Bürger aus einem Europarats-Staat darf sich nach Straßburg wenden, wenn er die nationalen Rechtsmittel ausgeschöpft hat. Die Staaten haben sich verpflichtet, Konventionsverstöße zu beseitigen. Wie, ist ihnen überlassen. Über eigene Mittel zur Vollstreckung verfügt das Gericht nicht.

Insofern bewegt sich der EGMR weiter an einer Schnittstelle von Diplomatie und Recht. Von vielen Staaten ist bekannt, dass sie sich dessen Urteil nur murrend oder gar nicht beugen; Großbritannien etwa, das dazu verurteilt worden war, seinen Strafgefangenen ein Wahlrecht einzuräumen. Auch Russland reagiert zuweilen widerwillig. Am Mittwoch hat dort ein neues Strafgesetz zum Hochverrat die letzte parlamentarische Hürde genommen, von dem Kritiker befürchten, es könne künftig auch Klagen vor dem EGMR erfassen.

Der neue Präsident gilt als einer, der eher dem Recht zugeneigt ist als der Diplomatie – eine Tendenz, die in jüngerer Zeit viel zum Ruf des Gerichts in Europa beigetragen hat. Spielmann hatte sich bereits in seiner Uni-Abschlussarbeit der Menschenrechtskonvention gewidmet, war Anwalt und Assistenzprofessor für Strafrecht. Seit 2004 ist er Richter in Straßburg, wie es übrigens auch sein Vater war. Allerdings zu einer Zeit, als der EGMR noch kein ständiges Gericht war und einzelne Bürger nur stark eingeschränkt klagen konnten.

Seit in Straßburg ein Gericht für Millionen Europäer tagt, versinkt es jährlich in zehntausenden Anträgen, weit mehr als 100 000 Verfahren sind anhängig. Viel Arbeit und Verantwortung für Spielmann. Weniger wird es nicht. So will die EU der Menschenrechtskonvention beitreten. Ihr Recht fiele dann unter die EGMR-Kontrolle. Jost Müller-Neuhof

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