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Politik: Justizreform: Däubler-Gmelin will das Rechtssystem effektiver machen - geht aber ungeschickt vor (Kommentar)

Doppelt gibt, wer früh gibt - so lautet eine römische Rechtsregel: Bis dat qui cito dat. Diese Feststellung gilt zwar ursprünglich der ökonomischen Tatsache, dass ein Gläubiger von einer Forderung um so mehr hat, je früher sie erfüllt wird; sonst drohen Zinsverluste.

Doppelt gibt, wer früh gibt - so lautet eine römische Rechtsregel: Bis dat qui cito dat. Diese Feststellung gilt zwar ursprünglich der ökonomischen Tatsache, dass ein Gläubiger von einer Forderung um so mehr hat, je früher sie erfüllt wird; sonst drohen Zinsverluste. Aber die Regel "Doppelt gibt, wer früh gibt" kann auch auf das ganze Rechtssystem angewandt werden: Langes Prozessieren dient nicht unbedingt der Gerechtigkeit - und je früher ein Urteil ergeht, desto früher wissen die Streithähne auch, woran sie sind, desto schneller kehrt der Rechtsfrieden wieder ein.

Keine Regel ohne Ausnahme: Wo allzu kurzer Prozess gemacht wird, kann die Gerechtigkeit ebenfalls leiden. Aber aus der Angst vor dieser Ausnahme hat die deutsche Rechtskultur eine regelrechte Industrie der Rechtsverschleppung gemacht. Hier zu Lande judizieren die meisten Richter pro Kopf der Bevölkerung, staffeln sich die längsten Instanzenzüge. Und wo viel und lange prozessiert wird, gibt es für den "juristisch-industriellen Komplex" viel zu tun und zu verdienen - und für die Rechtssuchenden lange Wartelisten und hohe Gebührenrechnungen. Es ist sehr die Frage, ob dies der Gerechtigkeit dient - oder dem Rechtsgewerbe.

Jedenfalls ist dieses System schon so verfestigt, dass jeder Versuch der Änderung heftige Gegenwehr auslöst: Die Gegner jeglicher Reform reden dabei von Gerechtigkeit - meinen aber auch ihre eigenen Interessen und Gewohnheiten. Dass Herta Däubler-Gmelin sich trotzdem an eine Justizreform gewagt hat, verdient also Anerkennung: Viel Feind, viel Ehr ...

In der Tat spricht alles dafür, die erste Instanz zu stärken (und zwar prozessual wie personell) und im Grunde nur Fragen der korrekten Rechtsanwendung und der Rechtsfortbildung an die nächste Instanz weiterzureichen. Ließe man nämlich alles, wie es ist, dann bliebe die erste Instanz nur die Instanz der armen Leute - für die anderen wäre sie weiterhin nur ein Probelauf, den die Parteien und ihre Anwälte gar nicht so ernst nehmen. Da gibt es Fälle, in denen halten die Anwälte beider Parteien ihr Pulver in der ersten Instanz trocken und trumpfen erst in der nächsten Etappe voll auf. Mitunter verzichten Parteien auf ihr offenkundiges Recht, weil ihnen ein früher Streit mehr schadet als ihnen ein später Sieg nützt. Und nur zu oft hört die Partei mit den schlechteren Karten den anwaltlichen Rat: Ein halbgarer Vergleich in letzter Instanz ist doch so gut wie ein Sieg.

Keine Regel, wie gesagt, ohne Ausnahme: "Doppelt gibt, wer früh gibt" - aber eben auch: Eile mit Weile. Einen Teil des Widerstandes hätte Frau Däubler-Gmelin mildern können, wenn sie etwas geschickter vorgegangen wäre: Suave in modo, fortiter in re - hart in der Sache, aber konziliant in der Methode. Es hätte auch nichts geschadet, wenn das praktische Planspiel einige politische Instanzen früher zum Zuge gekommen wäre. So aber fühlten sich die Betroffenen nicht nur mächtig vor den Kopf gestoßen - sie konnten der Ministerin auch noch Fehleinschätzungen nachweisen.

Jetzt musste Frau Däubler-Gmelin - unter dem Druck auch von SPD-Justizministern in den Ländern - Zugeständnisse machen, die wie eine Niederlage aussehen: Beim Zugang zur Berufungsinstanz werden Regel und Ausnahme gegeneinander ausgewechselt. Wollte die Ministerin ursprünglich - als Regel - keine Berufung mit erneuter Tatsachenerhebung, soll nun die Berufung nur ausnahmsweise unzugänglich sein, wenn nämlich das Gericht den Antrag wegen Aussichtslosigkeit verwirft.

Wer weiß, was im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch alles abgeschliffen wird! Aber der Ansatz verdient es, gewahrt zu bleiben - und gewürdigt zu werden.

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