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Die große Koalition will die Förderung der erneuerbaren Energien auf eine neue Grundlage stellen.

© dpa

Kabinett billigt Gabriels Energiewende-Plan: EU will Klimagase bis 2030 um 40 Prozent senken

Die EU-Kommission schlägt ein neues Klimaziel vor. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks kann sich aber mehr vorstellen. Berlin ist unzufrieden, dass EU-Staaten keine Vorgabe mehr zum Ausbau erneuerbarer Energien bekommen.

Bis 2030 soll der Treibhausgasausstoß der Europäischen Union um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Im gleichen Zeitraum soll der Anteil erneuerbarer Energien in den 28 Mitgliedsstaaten bei 27 Prozent liegen. Das schlägt die EU-Kommission als Klimaziel bis 2030 vor. Es ist gleichzeitig das Angebot, mit dem die EU in die abschließenden Verhandlungen beim Weltklimagipfel 2015 in Paris geht. EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso nannte das Ziel „ehrgeizig, aber bezahlbar“.

Kritik der Verbände

Umweltverbände kritisierten den Vorschlag als mutlos. Industrieverbände monierten, dass die EU überhaupt mit einem verbindlichen Klimaziel in die Verhandlungen in Paris gehen will. Politikberater von der Stiftung Wissenschaft und Politik weisen darauf hin, dass die EU ohne jeden Aufwand bis 2030 ihre Treibhausgase um 32 Prozent mindern kann und einen Anteil erneuerbarer Energien von 24 Prozent erreichen dürfte. Die Vorgabe, Wind- oder Solarenergie auszubauen, soll für alle 28 EU-Staaten gemeinsam, nicht mehr individuell gelten. Sie werden nicht mehr auf die einzelnen Staaten heruntergerechnet. Die Bundesregierung billigte derweil auf ihrer Kabinettsklausur in Meseberg die Eckpunkte von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) für eine Reform der Förderung erneuerbarer Energien.

"Gute Ausgangsbasis"

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bezeichnete die von der EU-Kommission vorgelegten Klimaziele für 2030 als gute Ausgangsbasis für weitere Verhandlungen. Die geplante Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes um 40 Prozent gegenüber 1990 sei dazu geeignet, um bis zum EU-Gipfeltreffen im März einen Grundsatzbeschluss mit den Mitgliedsstaaten zu erreichen, sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch. „Im Rahmen eines internationalen Abkommens kann ich mir auch einen Beitrag der EU von mehr als 40 Prozent vorstellen.“

Der Verband der Chemischen Industrie kritisierte die Vorgabe als einseitige Belastung, wenn sie nicht mit Zusagen anderer Länder außerhalb der EU verbunden sei. Der Bundesverband Stahl wiederum stört sich daran, dass die EU-Kommission gleichzeitig vorgeschlagen hat, den Handel mit CO2-Rechten in der EU wiederzubeleben. Die EU-Kommission will die Menge der Emissionsberechtigungen von 2020 an jährlich um 2,2 Prozent kürzen, um die Preise zu stabilisieren.

Hendricks: Ambitionierte Ziele

Indirekte Kritik übte Hendricks am Vorschlag der EU-Kommission, den Anteil erneuerbarer Energieträger EU-weit bis 2030 auf 27 Prozent anzuheben. „Wir brauchen ambitionierte und verbindliche Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.“ Die EU-Kommission hatte das Ziel auf EU-Ebene als verbindlich ausgegeben, nicht aber für die Einzelstaaten. Einen Vorschlag zur Energieeffizienz will die Brüsseler Behörde erst im Laufe des Jahres vorlegen. Das Effizienzziel bis 2020 war ebenso wenig verbindlich gewesen und wird nach Einschätzung von EU-Energiekommissar Günther Oettinger wohl auch nicht erreicht werden.

Der Klimaberater des britischen Außenministers William Hague, Sir David King, hält ein Emissionsminderungsziel von 40 Prozent bis 2030 in der EU für zu wenig ambitioniert, um die globale Erwärmung unter zwei Grad zu halten. Außerdem ist dieses Ziel zu gering, um den Emissionshandel zu stabilisieren. Großbritannien hat deshalb schon im vergangenen Jahr einen Mindestpreis für die Tonne CO2 festgelegt, der über die europäischen Vorgaben hinaus erhoben wird. King sagte dem Tagesspiegel, Großbritannien habe sich selbst verpflichtet, den Treibhausgasausstoß bis 2030 um mindestens 40 Prozent zu senken. Darauf hat sich auch die große Koalition in Deutschland festgelegt. London geht darüber aber hinaus, wenn der Weltklimagipfel 2015 in Paris tatsächlich ein Abkommen verabschieden sollte. Dann will Großbritannien seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 um 50 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Allerdings halten einige ost- und mitteleuropäische EU-Staaten auch die angepeilten 40 Prozent bereits für schwer erreichbar und werden sich in den Verhandlungen über die Klimaziele wohl für eine weitere Verwässerung einsetzen.

Gabriels neues Konzept

Im Konzept Gabriels für die Energiewende ist die wichtigste Änderung die verbindliche Festlegung auf einen Ausbaukorridor in der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Bis 2025 soll der Anteil von Wind- und Solarstrom auf 40 bis 45 Prozent steigen, bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent. Um diese Zielvorgabe nicht zu überbieten, will Gabriel Ausbaukontingente festlegen; dabei kommen Windstrom an Land und Solarstrom besser weg als Offshore-Windstrom aus dem Meer.

Künftig sollen Betreiber von Wind- oder Solarparks ihren Strom selbst vermarkten müssen. Innerhalb von drei Jahren sollen alle Neuanlagen mit einer Leistung ab 100 Kilowatt ihren Strom selbst vermarkten. Da gleichzeitig die bisher dafür gezahlte Managementprämie wegfallen soll, könnte diese Vorgabe den Anstieg der EEG-Umlage etwas bremsen. Die direkte Vermarktung von Grünstrom über spezialisierte Händler wie beispielsweise die Schönauer Elektrizitätswerke oder die Naturstrom AG wird dagegen gestrichen. Wer als Privatkunde Ökostrom bezieht, kann dann nur noch Grünstrom aus dem Ausland kaufen, das ist vor allem Wasserkraft aus Österreich oder Norwegen. Die Regierung will auch Eigenverbraucher von Grünstrom zur Finanzierung heranziehen. Diese Kunden sollen nicht mehr völlig von der EEG-Umlage befreit werden. (mit Reuters)

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