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Politik: Kaczynski wirkt müde

Der liberale Kandidat Komorowski punktet in der TV-Debatte der polnischen Präsidentschaftsbewerber

„Nur Feiglinge tun so, als gäbe es keine Unterschiede zwischen den Kandidaten“, sagt Bronislaw Komorowski und verlässt lachend das Fernsehstudio. Die Zuschauer geben ihm noch in der Nacht zum Montag recht. 52 Prozent der Zuschauer haben ihn nach der ersten TV-Debatte mit seinem konservativen Herausforderer Jaroslaw Kaczynski zum Sieger erklärt. Nur 28 Prozent sehen Kaczynski als Sieger. 15 Prozent tippten auf ein Unentschieden.

Aufgeschreckt vom guten Ergebnis Kaczynskis in der ersten Runde (nur fünf Prozentpunkte Rückstand) hat der bereits als hoffnungsloser Langweiler betitelte Komorowski eine Woche vor den polnischen Präsidentenwahlen endlich an Schärfe zugelegt und erstmals überzeugend Wahlkampf gemacht. Das ging sogar so weit, dass Komorowski, statt in den strikt vorgegebenen zwei Minuten auf die Fragen der Journalisten zu antworten, Kaczynski in ein Streitgespräch zu verwickeln suchte. Einzig in jenen Momenten lief auch der rechtskonservative Oppositionskandidat zu etwas Form auf, oft aber wirkte Kaczynski müde und abgespannt und saß beinahe verloren in seinem Sessel.

Der immer noch sichtbar um seinen im April bei Smolensk abgestürzten Zwillingsbruder Lech trauernde Jaroslaw Kaczynski habe sich mit seinem intensiven Besuchsprogramm in der polnischen Provinz übernommen, heißt es in Warschau, zumal der 61-jährige Junggeselle fast täglich seine schwerkranke Mutter Jadwiga im Krankenhaus besucht. Auch seine Gesundheit mache nicht mehr ganz mit, wird gemunkelt.

Bei der ersten Fernsehdebatte war dies sichtbar. Gleichzeitig legte der einst aggressive Vollblutpolitiker, der sich seit Smolensk zum Versöhner der zerstrittenen politischen Lager gewandelt haben will, erstmals seine Maske ab und zeigte sich von seiner alten Seite. Der Staat müsse auch bei gesellschaftlichen und ethischen Fragen Verantwortung übernehmen, der Bürger dürfe nicht sich selber überlassen werden, sagte Kaczynski. Eingetragene Lebensgemeinschaften gleichgeschlechtlicher Paare verstießen gegen die polnische Verfassung, gab er staatsmännisch und ruhig zu bedenken. „Als Katholik bin ich gegen In-vitro-Befruchtungen“, bekannte Kaczynski ruhig und beherrscht. Der ebenfalls als weltanschaulich sehr konservativ geltende Komorowski dagegen verteidigte die strikte Trennung von Kirche und Staat und die Achtung der Gefühle aller polnischen Bürger. Der Regierungskandidat näherte sich damit der Position der polnischen Linken an, deren Wahlverhalten in der Stichwahl ausschlaggebend sein könnte.

Beim Themenkreis Außenpolitik punktete Komorowski besonders. Der Rechtsliberale warf der früheren Regierung Kaczynskis – sie amtierte 2006/2007 – die bedingungslose Erhöhung des Afghanistankontingents vor und könnte so populistisch einen weiteren Sympathiebonus auf der Linken ergattert haben. Komorowski bezeichnete das deutsch-polnische Verhältnis als Vorbild für Polens künftiges Verhältnis zu Russland und der Ukraine. Noch unter der Kaczynski-Herrschaft hatte ein Dauerzerwürfnis zwischen Warschau und Berlin die Schlagzeilen beherrscht.

„Ich will Präsident aller Polen werden, der Arbeiter genauso wie der Bauern, der Intelligenz und der Jugend“, so warb zum Schluss auch Kaczynski um die sozial denkenden und linken Wähler. Ihnen allen versprach er Finanzspritzen, die gar nicht im Kompetenzbereich des polnischen Präsidenten liegen. Am kommenden Mittwoch soll eine zweite Fernsehdebatte stattfinden. Polnische Publizisten weisen darauf hin, dass auch 2005 Donald Tusk zwar die TV-Debatten klar gewonnen, die Wahl gegen Lech Kaczynski aber verloren hatte.

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