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Prorussische Kämpfer in der ost-ukrainischen Stadt Donezk

© Reuters

Update

Kämpfe in der Ukraine: 14 ukrainische Soldaten bei Abschuss ihres Hubschraubers getötet

Bei Slawjansk haben Aufständische einen Helikopter des ukrainischen Militärs mit einem Raketenwerfer zerstört, dabei starben 14 Menschen. Unterdessen stellten die prorussischen Separatisten die Freilassung der vermissten OSZE-Beobachter in Aussicht.

Beim Abschuss eines ukrainischen Hubschraubers nahe der Separatistenhochburg Slawjansk sind mindestens 14 Soldaten getötet worden. Unter den Opfern sei auch General Wladimir Kultschizki, sagte Übergangspräsident Alexander Turtschinow am Donnerstag Medien zufolge im Parlament in Kiew.

Die Soldaten sollten bei einer Truppenrotation andere Kräfte in dem Kampfgebiet ersetzen. Dabei hätten die Aufständischen den Helikopter mit einem tragbaren Raketenwerfer zerstört, sagte Turtschinow. Bei Slawjansk setzten proukrainische Truppen Artillerie und Kampfjets gegen prorussische Separatisten ein.

Unterdessen wurde bekannt, dass die vier in der Ukraine verschollenen Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sich offenbar in den Händen prorussischer Separatisten befinden. "Wir haben sie festgenommen", wurde der Separatistenführer und selbsternannte Bürgermeister der ostukrainischen Rebellenhochburg Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, am Donnerstag von der Nachrichtenagentur Interfax zitiert. Er allerdings deren baldige Freilassung in Aussicht. "Wir werden klären, wer sie sind, wohin sie gingen und warum, und werden sie dann freilassen", sagte er.

Kanzlerin in Sorge über vermisstes OSZE-Team

Angela Merkel zeigt sich besorgt über das erneute Verschwinden von vier OSZE-Beobachtern in der Ostukraine. „Wir werden alles daran setzen, hier auch diese Beobachter in Freiheit zu bekommen.“ Am Dienstag war der Kontakt zu vier Beobachtern aus Dänemark, Estland, der Türkei und der Schweiz abgebrochen. Bis zum Mittwoch gab es von diesem Team keine Spur. "Wir wissen nicht genau, wo die stecken, aber sie sind nach allem, was man vermuten kann, in den Händen irgendeiner der Rebellen-, der Separatistengruppen", sagte der Ko-Vorsitzende des Runden Tisches für die Ukraine, der deutsche Diplomat Wolfgang Ischinger. Zu der OSZE-Mission in der Ukraine zählen 280 unbewaffnete Beobachter.

Der Separatistenführer und selbsternannte Bürgermeister der ostukrainischen Rebellenhochburg Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow.
Der Separatistenführer und selbsternannte Bürgermeister der ostukrainischen Rebellenhochburg Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow.

© dpa

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte am Mittwoch vorübergehend den Kontakt zu einer weiteren Beobachtergruppe in der Ostukraine verloren. Zwischenzeitlich war unklar, ob die elf Mitarbeiter in Sicherheit waren. Die Beobachter waren in drei Fahrzeugen auf dem Weg in die Großstadt Dnjepropetrowsk rund 250 Kilometer westlich von Donezk, als sie an einem Kontrollposten gestoppt wurden. Sie kehrten später nach Donezk zurück. "Die Beobachter wurden an einer Straßensperre in Marinka aufgehalten", hieß es in der OSZE-Mitteilung. Zu dem Team zählten demnach zwei Bulgaren und jeweils ein Mitglied aus Österreich, den Niederlanden, Finnland, Italien, Norwegen, Polen, Russland, der Slowakei und den USA.

Regierungsgegner dementieren

Bezüglich der nach wie vor vermissten Beobachtergruppe sagte der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sagte im ZDF zu der ersten Gruppe, Kiew tue "alles, um diese Leute frei zu bekommen". Es seien offenbar "aus Russland gelenkte Terroristen, die sie gefangen genommen haben". Jazenjuk forderte Moskau auf, "diese Terroristen zu verurteilen, für Frieden und Stabilität zu sorgen und alles zu tun, die Mitglieder der OSZE-Mission frei zu bekommen."

Ein Führungsmitglied der Regierungsgegner wies am Mittwoch hingegen die Vorwürfe zurück. „Uns ist nichts bekannt über ihren Aufenthaltsort oder ihr Schicksal“, sagte Miroslaw Rudenko der Agentur Interfax. Ein Vertreter der benachbarten „Volksrepublik Lugansk“ sagte, die Beobachter befänden sich nicht in seiner Region. In einem früheren Fall hatten die Separatisten in der Stadt Slawjansk die Festsetzung von OSZE-Militärbeobachtern, darunter auch Deutsche, direkt eingeräumt und sie letztlich auf Vermittlung Russlands freigelassen.

Noch kein Lebenszeichen von Entführten

Das am Dienstag verschwundene Team sei auf dem Rückweg von einer Patrouillenfahrt an einem Checkpoint aufgehalten worden, sagten mit der Mission vertraute Kreise. Es gebe bisher weder zu den Separatisten noch zu den Festgehaltenen einen direkten Kontakt. Man gehe aufgrund von indirekten Informationen davon aus, dass die Teammitglieder nicht in Lebensgefahr seien. Forderungen seien bisher nicht gestellt worden, hieß es. Es sei nicht das erste Mal, dass Mitglieder der Beobachtermission festgehalten würden, aber es habe noch nie so lange gedauert, hieß es. Für die Organisation sind derzeit 282 Beobachter in der Ukraine im Einsatz und sammeln Fakten zur Sicherheitslage.

Bereits Ende April hatten prorussische Milizen in der Ostukraine sieben Militärbeobachter der OSZE gefangengenommen, darunter auch vier Deutsche. Nach mehr als einwöchiger Gefangenschaft in der Rebellenhochburg Slawjansk wurden die Geiseln wieder freigelassen.

Poroschenko: Ost-Ukraine im "Kriegszustand"

Der neu gewählte Präsident des Landes, Petro Poroschenko, hätte sich nicht deutlicher ausdrücken können. Die Ost-Ukraine befindet sich im "Kriegszustand", sagt er. "Die Anti-Terror-Operation hat endlich richtig begonnen", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Wir werden diesen Schrecken beenden, hier wird echter Krieg gegen unser Land geführt." Er sehe es als seine vorrangige Aufgabe an, die Ukraine zu retten. "Wir befinden uns im Osten in einem Kriegszustand, die Krim wurde von Russland besetzt und es gibt eine große Instabilität. Wir müssen reagieren." Eines der Ziele des Einsatzes der Regierungstruppen im Osten sei, die Separatistenführer festnehmen zu lassen. "Wir wollen sie festnehmen lassen und vor ein Gericht stellen", sagte Poroschenko.

"Aber klar ist auch: Wenn schwer bewaffnete Kämpfer auf "unsere Soldaten schießen, dann muss sich unser Militär wehren."

"Gewalt-Exzesse im Donbass"

Im Osten des Landes sind derweil strategisch und symbolisch wichtige Gebäude wie der Flughafen der Großstadt Donezk, wichtige Sportstätten sowie Wohnviertel und Schulen Schauplätze der Kämpfe zwischen Separatisten und der ukrainischen Armee geworden. Angeblich werden die Separatisten von Militanten aus dem Kaukasus unterstützt. So schreiben ukrainische Medien, Russlands Präsident Putin habe offenbar „die schlimmsten Banditen seines Landes geschickt – Vertreter des hochkriminellen Kadyrow-Clans aus Tschetschenien, deshalb auch die Gewalt-Exzesse im Donbass“.

Am Montag waren nach Auskunft offizieller Stellen rund 40 Kämpfer der Separatisten ums Leben gekommen, die meisten offenbar durch einen Beschuss der ukrainischen Armee auf einen Truppentransporter, der Soldaten zum umkämpften Donezker Flughafen bringen sollte. In den ukrainischen Medien kursierten Bilder von dem durchlöcherten Lkw und den auf einen Haufen geworfenen Toten in einer städtischen Leichenhalle. Unter den Toten sollen acht russische Staatsbürger sein, unter den Verletzten seien Einwohner Grosnys und Moskaus sowie von der Krim, sagte der Bürgermeister von Donezk, Alexander Lukjantschenko. Nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums vom Dienstag soll der Großflughafen in Donezk wieder vollständig unter Kontrolle der ukrainischen Armee sein. Wann der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden kann, ist unklar.

Poroschenko will Militäreinsatz im Osten der Ukraine fortsetzen

Sollte die ukrainische Führung nun mit aller Härte gegen die Separatisten vorgehen, könnte die Gewalt weiter eskalieren. Die Regierung setzt offenbar darauf, dass sich die Menschen in der Ostukraine von den Separatisten abwenden und sich der neuen politischen Führung in Kiew um den am Sonntag gewählten Präsidenten Petro Poroschenko anschließen. Dieser hatte noch am Wahlabend verkündet, die Anti-Terror-Aktion im Osten weiterführen zu wollen, sie solle härter als bisher werden, dafür aber in absehbarer Zeit beendet sein.

Russlands Präsident Wladimir Putin forderte die sofortige Einstellung der von der ukrainischen Regierung geführten Anti-Terror-Aktion. Kiew solle einen friedlichen Dialog mit den Vertretern aus der Region starten, sagte Putin während eines Telefonats mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mateo Renzi.

In der Großstadt Donezk hatten Separatisten am Dienstag in den frühen Morgenstunden ein großes Sportzentrum angezündet, das dem in der GUS bekannten Eishockeyklub „Donbass“ als Heimstadion dient. Die Einrichtung ist erst wenige Jahre alt und gehört Boris Kolesnikow, zwischen 2010 bis 2013 Vize-Premierminister und enger Gefolgsmann Rinat Achmetows. Das Fußballstadion von Multimilliardär Achmetow, die 400 Millionen US-Dollar teure Donbass Arena, wurde am Dienstag vorsorglich evakuiert und abgeriegelt. Allerdings meldeten ukrainische Medien, dass sich die Separatisten in Wohngebiete verschanzt hätten und eine Schule besetzt hielten.

Lawrow: Poroschenko muss Dialog mit allen Bürgern der Ukraine beginnen

Die größte ukrainische Tageszeitung „Segodna“ nannte zehn Aufgaben, denen sich der neue Präsident Poroschenko als Erstes widmen müsse. An erster Stelle steht die Beruhigung der Lage im Osten. „Die Anti-Terror-Aktion muss erfolgreich beendet werden. Außerdem muss die ukrainisch-russische Grenze besser gesichert, Armee und Polizei müssen modernisiert werden“, heißt es. Wichtig seien zudem baldige Parlamentswahlen. Der Präsident wird aufgefordert, sich mit „einem Team qualifizierter Mitarbeiter zu umgeben“, das sei unabdingbar, weil „nur mit Fachleuten die verschiedenen Reformen auf den Weg gebracht werden können“. Weiter sei es für die Ukraine unverzichtbar, dass es der neuen Regierung gelinge, ausländische Investoren zu gewinnen, die die Wirtschaft modernisieren und Arbeitsplätze schaffen. Westliche Geldgeber würden nur kommen, „wenn der Kampf gegen Korruption ernsthaft begonnen wird“.

Auch Russland hat bereits seine Vorstellungen zur Zusammenarbeit mit dem neuen ukrainischen Präsidenten geäußert. Außenminister Lawrow sagte, Poroschenko müsse den Dialog mit allen Bürgern der Ukraine beginnen, vor allem mit denen aus dem Süden und Osten. In ukrainischen Medien wurde dies als „Bevormundung“ kritisiert.

Frankreichs Staatschef François Hollande hat Poroschenko unterdessen zu den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Alliierten-Landung in der Normandie eingeladen. Hollande habe die Einladung zu den Zeremonien am 6. Juni bei einem Telefonat mit Poroschenko ausgesprochen, teilte der Elysée-Palast am Mittwoch in Paris mit. Zu den Feierlichkeiten an der nordfranzösischen Küste wird unter anderen auch Wladimir Putin erwartet.

Der 48-jährige Poroschenko ist der fünfte und jüngste Präsident der Ukraine nach der Unabhängigkeit des Landes 1991 – und der reichste. Sein Vermögen wird auf derzeit 1,6 Milliarden US-Dollar geschätzt. Vor allem mit der Herstellung von Schokolade und Bonbons verdient er viel Geld, die Fabriken von Roshen sind ein großer Arbeitgeber. Zu der Firmengruppe Poroschenkos gehören aber auch eine Autofabrik und Transportunternehmen, Werften und eine Medienholding. Der Fernsehsender 5 Kanal gilt als unabhängig und kritisch. (mit dpa/AFP)

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