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Feuer auf dem Dach. OSZE-Beobachter begutachten die Lage in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol nach dem Raketenbeschuss durch prorussische Separatisten..

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Update

Kämpfe in Ukraine: Separatisten bekennen sich zu Raketenangriff auf Mariupol

Pro-russische Separatisten hatten es zunächst als "Lüge" bezeichnet, für den Raketenbeschuss von Mariupol mit 20 toten Zivilisten verantwortlich zu sein. Jetzt bekannten sie sich zu dem Angriff und kündigten die Eroberung der Stadt an. Der Westen reagiert scharf.

Am Samstagmorgen wurde in der Hafenstadt Mariupol eine Wohnsiedlung mit Raketen beschossen, dabei kamen mindestens 20 Zivilisten ums Leben, darunter Kinder. 83 Menschen wurden verletzt. Die Behörden der Ukraine machten sofort pro-russische Separatisten für den Beschuss verantwortlich.

Die Rebellen wiesen den Vorwurf zunächst zurück. Es handele sich um eine Falschinformation und eine Lüge, erklärte das Verteidigungsministerium der selbsterklärten Volksrepublik Donezk nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. Jetzt bekannten sie sich zu den Angriffen und kündigten die Eroberung der Stadt an.

Russlands Präsident Wladimir Putin machte „kriminelle Befehle“ der ukrainischen Führung für die jüngste Eskalation verantwortlich.

Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk sprach in Kiew von „einer Tragödie“, die in der Verantwortung Russlands läge. Er hat die UN gebeten, eine Sondersitzung des Sicherheitsrats einzuberufen. Nach dem Raketenangriff hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) den prorussischen Separatisten vorgeworfen, sämtliche Friedensbemühungen zu unterlaufen. Nach den Äußerungen von Separatistenführer Alexander Sachartschenko über den Beginn einer Offensive in Mariupol scheine „klar zu sein, wer für diesen Angriff verantwortlich war und wer ganz offenbar ein Interesse daran hat, die laufenden Bemühungen um eine Entschärfung des Konfliktes zu unterlaufen“, sagte Steinmeier in vom Auswärtigen Amt übermittelten Äußerungen während eines Besuch in der algerischen Hauptstadt Algier. Die Berichte aus Mariupol zeigten, dass die Situation „hochgefährlich“ sei, sagte Steinmeier. Offenbar suchten die Separatisten „nach einer militärischen Entscheidung“. Die USA verurteilten den Raketenangriff scharf. Außenminister John Kerry nannte es unverantwortlich und gefährlich, dass Russland die Separatisten mit modernsten Waffen versorge, und drohte mit weiterem Druck auf Moskau. Nach der EU forderte auch die Nato Russland auf, die Unterstützung für die Separatisten einzustellen.

Der Bombenangriff auf die südukrainische Großstadt markiert eine weitere Verschärfung der militärischen Lage im Donbass. Die 500000 Einwohner zählende Hafenstadt am Asowschen Meer war von den jüngsten Kämpfen nicht betroffen gewesen. Nachdem Truppen der ukrainischen Armee die Stadt im Frühsommer von Rebellen zurückerobert hatten, befand sich Mariupol unter ukrainischer Kontrolle.

120 Raketen wurden auf die ukrainische Hafenstadt Mariupol abgefeuert

Nun haben die Bewohner die ganze Wucht des Krieges erfahren. Die Stadtverwaltung berichtet, drei russische Raketenwerfer hätten insgesamt 120 Raketen auf das Wohngebiet abgefeuert. Innenministerium und Verteidigungsministerium konnten das bisher zwar nicht bestätigen, aber die Verwüstungen an Gebäuden, Straßen und Fahrzeugen sprechen eine eindeutige Sprache. „Das war eine gezielte Terroraktion gegen die Ukrainer und den ukrainischen Staat“, sagte Alexander Turtschinow, Vorsitzender der Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine.

Für das politische Kiew steht fest, das die Russen nun ihre immer wieder angekündigte Großoffensive auf den gesamten Donbass begonnen haben. Tatsächlich hat die russische Armee in der Stadt Nowoazowsk, 50 Kilometer von Mariupol entfernt, seit Monaten Truppen stationiert. Die Stadt fiel vergangenen Sommer in die Hände der Russen. Der Anführer der selbsternannten „Volksrepublik Donezk“, Alexander Sachartschenko hatte am Freitag vor Medien erklärt, er werde die gesamte Region Donezk unter die Kontrolle seiner Truppen bringen. Offenbar hat er nun begonnen, diese Ankündigung umzusetzen.

Auch in anderen Teilen der Ost-Ukraine gingen die Kämpfe weiter, unter anderem auch am Flughafen in der Stadt Donezk.

Während der Westen verzweifelt versucht, die Lage in der Ost-Ukraine zu entspannen, scheint die russische Seite nun den Plan von Präsident Wladimir Putin umzusetzen. Er hatte im vergangenen Jahr die Gründung von Noworossija angekündigt, das Gebiet umfasst praktisch alle Regionen der Ost- und Südukraine.

Die ukrainische Führung sucht immer verzweifelter militärische Verbündete im Westen, wie Hohn kam der Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Kiew an, den sie am Donnerstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos machte. Dort bot sie Russland und der von Moskau kontrollierten Eurasischen Union die Bildung einer gemeinsamen Freihandelszone an. Eine Reihe ukrainischer Parlamentarier bewertete diese Idee entweder als „komplett weltfremd“ oder „als gegen die USA gerichtet“.

Ukrainische Politiker greifen Angela Merkel an und setzen Verschwörungstheorien in die Welt

Ein Abgeordneter aus der Fraktion des ukrainischen Präsidenten sagte am Telefon, er könne sich nicht vorstellen, dass Bundeskanzlerin Merkel ernsthaft an einen schnellen Frieden glaube, eher sei dieser Vorschlag wohl gegen die USA gerichtet, das habe mit den Verhandlungen über eine Freihandelszone zwischen der EU und den USA zu tun, „das ist ja mächtig ins Stocken geraten“. „Damit die USA sich bewegen, wird damit gedroht, sich wirtschaftlich stärker auf Russland zuzubewegen“, sagte der Politiker, der seinen Namen nicht genannt haben möchte.

Bei Vertretern der deutschen Wirtschaft kam der Merkel-Vorschlag gut an. Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, hält die Idee einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit Russland zu bilden, für „absolut sinnvoll“. Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, ist der Ansicht, „die Schaffung eines gemeinsamen Handelsraumes könnte eine Brücke für einen Ausweg aus der Ukraine-Krise sein“, sagte er in einem Interview. (mit AFP und Reuters)

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