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Keine Hoffung auf rechtsstaatliche Behandlung. Frauen im überbelegten Al-Qanter-Gefängnis in Kairo blicken durch die Gitterstäbe einer Zelle. Foto: Nasser Nuri/Reuters

© REUTERS

Politik: Kairos Kerker

Herausgeschmuggelte Briefe westlicher Gefangener zeigen die Brutalität in Ägyptens Gefängnissen.

Den Gefangenen wurden Hosen und Hemden vom Leib gerissen, dann prügelten johlende Polizisten auf die Nackten ein. „Ehrenspalier“ nennen die Peiniger ihr sadistisches Ritual. Nachts müssen die 36 Häftlinge „wie die Sardinen“ auf dem Boden und zwischen den Kakerlaken ihrer Minizelle schlafen. Alle teilen sich ein verranztes Waschbecken, aus dessen Hahn lehmig-braunes Wasser kommt. Ein Häftling, der einen Herzinfarkt erlitt, wurde einfach seinem Schicksal überlassen – ein anderer mit einer eiternden Schusswunde nicht behandelt. Der jüngste ist gerade mal elf Jahre alt. Wer als Ägypter in den Gefängnissen seiner Heimat verschwindet, kommt in der Regel misshandelt und gebrochen wieder heraus. Daran hat sich nach dem Sturz von Hosni Mubarak und Mohammed Mursi auch unter den neuen Herren der „Zweiten Revolution“ nichts geändert.

Nur dass verhaftete westliche Ausländer inzwischen genauso brutal misshandelt werden wie Einheimische, wie kürzlich aus dem Knast geschmuggelte Briefe von zwei Kanadiern und einem US-Bürger ägyptischer Abstammung belegen. Alle drei waren Mitte August nach der blutigen Räumung der beiden Muslimbruder-Lager in Nasr City und Dokki in die Fänge der Polizei geraten, wie tausende anderer Demonstranten und Mursi-Anhänger auch. Menschenrechtsorganisationen schätzen allein in Kairo die Zahl der Verhafteten auf 3000. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich deutlich höher. Und über das Schicksal dieser politischen Gefangenen dringt bisher kaum etwas nach außen.

„Die Haftbedingungen sind irrwitzig“, schreiben Tarek Loubani und John Greyson, der eine Intensivmediziner und der andere renommierter Filmemacher aus Kanada. „Irre brutal“ nennt der 25-jährige Mohammed Soltan, dessen ägyptischer Vater als Professor an der Universität Kairo lehrt und zum gemäßigten Flügel der Muslimbruderschaft gehört, in einem Brief an seine amerikanische Mutter seine Erlebnisse. Alle drei sind keine Islamisten und bereits wochenlang ohne Anklage inhaftiert. Die beiden Kanadier befinden sich im Hungerstreik, Kanadas Premier forderte am Dienstag ihre sofortige Freilassung. Am 15. August war das Duo auf der Durchreise in den Gazastreifen, wo Tarek Loubani Ärzte am Shifa-Hospital fortbilden und John Greyson dies mit der Kamera dokumentieren wollte. Da der Grenzübergang in Rafah geschlossen war, legten sie einen Zwangsstopp in Kairo ein und gerieten tags darauf nahe dem Ramses-Bahnhof in die eskalierenden Tumulte. An einer Straßensperre der Polizei, wo sie sich nach dem Weg zurück in ihr nahe gelegenes Hotel erkundigten, wurden sie „festgenommen, durchsucht, geschlagen, verspottet und als Söldner beschimpft. John hatte eine Woche lang einen Bluterguss von der Größe einer Stiefelsohle auf dem Rücken“. Vorgeworfen wird ihnen Brandstiftung, Mord, Angriff auf eine Polizeistation sowie Teilnahme an einer illegalen Demonstration. Nach Ansicht ihres Anwalts dagegen waren die beiden einfach nur „zur falschen Zeit am falschen Ort“.

Ihr US-Schicksalsgenosse Mohammed Sultan war erst im Februar nach dem Studium an der Universität von Ohio nach Ägypten gezogen, weil er eine Stelle in der Ölbranche gefunden hatte. Bei der Räumung des Protestcamps in Rabaa Adawiya wurde er in den Arm getroffen. Wenige Tage nachdem die Kugel herausoperiert worden war, verhaftete ihn die Polizei in seiner Wohnung. Im Gefängnis wurde er nach eigenen Angaben zunächst in den sogenannten Kühlschrank gesperrt, einen total leeren Raum ohne Stuhl, Tisch, Fenster und Licht. Bis heute wird ihm jeder Kontakt zu einem Anwalt verwehrt. Ein Wächter habe ihm sarkastisch bedeutet: „Wir können dir hier alles besorgen, Drogen, Alkohol, Nutten – nur keinen rechtsstaatlichen Prozess.“

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