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Politik: Kampf der Giganten

Der Likud-Block bestätigt Scharon als Parteichef – eine Vorentscheidung über den künftigen Premierminister Israels

Von Charles A. Landsmann,

Tel Aviv

Es sieht gut aus für Ariel Scharon: Der amtierende israelische Ministerpräsident wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch der künftige Regierungschef sein. Am Donnerstagabend bestätigten die Mitglieder des Likud-Blocks ihren Parteivorsitzenden, der sie auch als Spitzenkandidat bei den vorzeitigen Parlamentswahlen Ende Januar anführen wird. Das ergaben die Nachwahlbefragungen israelischer Fernsehsender. Schon die letzten Meinungsumfragen hatten den Premier mit mindestens 20 Prozent Vorsprung vor seinem Konkurrenten, Außenminister Benjamin Netanjahu, gesehen.

Die 305 000 Mitglieder des nationalkonservativen Likud wählten aber nicht nur ihren Parteivorsitzenden: Da die Meinungsumfragen zur Knessetwahl seit langer Zeit dem Likud-Block gewaltige Mandatsgewinne voraussagen, und die Parteien des so genannten „Nationalen Lagers“ insgesamt leicht zulegen dürften, steht einer weiteren Amtszeit für Scharon nach dem 28. Januar nichts mehr im Wege. Seinem Gegenkandidaten für das Regierungsamt, Amram Mitzna, den die Arbeitspartei vor zehn Tagen zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt hat – und damit zum Spitzendandidaten –, werden kaum reale Chancen eingeräumt, die nächste israelische Regierung zu bilden.

Gegenseitiges Misstrauen

Der parteiinterne Wahlkampf zwischen Scharon und Netanjahu – der dritte Kandidat, Anführer einer rechtsextremen Gruppierung, kam nicht über den Status eines Kuriosums hinaus – war von einer bemerkenswerten Gehässigkeit. Das gegenseitige Misstrauen der beiden Politiker kam dabei deutlich zum Tragen. So verdächtigte zum Beispiel Scharons Umgebung bis zur Öffnung der Wahllokale am Donnerstag das gegnerische Lager, die Wahlen torpedieren, ja verhindern zu wollen.

Über den verheerenden Eindruck der Zerrissenheit kann auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass sich die beiden Kontrahenten – in der Annahme des eigenen Sieges – gegenseitig das Amt des Außenministers in der nächsten Regierung zusicherten. Israels Presse hat diese Versprechungen jedenfalls gar nicht erst ernst genommen.

Obwohl Netanjahu im Wahlkampf mehrfach die Strategie wechselte und letztlich die Medien für seine drohende Niederlage verantwortlich machte, muss die Entscheidung für Scharon letztlich wohl eher als eine Vertrauensfrage gewertet werden: Scharon war trotz seines schlechten Images für die Wähler erheblich glaubwürdiger als Netanjahu, der als „Bibi, der Lügner“ wahrgenommen wurde.

Mit militärischen Mitteln

Scharon diskreditierte Netanjahu als Vielredner, während er sich selbst als „Macher“ präsentierte und damit Erfolg hatte. Nicht zuletzt auch schreckten wohl viele Mitglieder des Likud-Blocks davor zurück, einen amtierenden Regierungschef in der eigenen Partei abzuwählen. Politische Auswirkungen hat die Wahl indes kaum, auch wenn sich Scharon und seine Regierung im anlaufenden Wahlkampf zur Knesset als noch entschlossenere und kompromisslose Kämpfer gegen den Terror zu profilieren versuchen – gegen die Nationalisten rechts von ihnen, und unbehindert von der aus der Regierung ausgetretenen moderaten Arbeitspartei.

Die Palästinenser müssen sich deshalb zumindest bis Ende Januar mit der israelischen Militärpräsenz im gesamten Westjordanland einschließlich der eigentlich autonomen Städte einstellen, und auch auf massive Truppenvorstöße im Gazastreifen. Bethlehem wurde inzwischen von der Armee gar zur Sperrzone erklärt, so dass möglicherweise am Geburtsort Christi in diesem Jahr keine Weihnachtsfeiern abgehalten werden können. Scharon ist zudem nicht entgangen, dass die palästinensische Führung seit der Wahl Mitznas zum Spitzenkandidaten der Opposition offen für dessen Wahl eintritt. Dass die Palästinenser versuchen, auf den Wahlkampf in Israel Einfluss zu nehmen, könnte sie noch teuer zu stehen kommen.

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